© 2007–2024 Patrick Müller

Filmtagebuch (2007–2011)

Was sind die erste Eindrücke nach dem Sichten eines Films? Im mittlerweile nicht mehr existenten DVDuell-Forum konnte ich ab 2007 allerlei Eindrücke niederschreiben. Zusammen mit anderen Filmfanatikern, für die nichts als das Kino existierte, lobten und tadelten wir im Monatsrythmus neue filmische Trouvaillen. Oft gerecht, manchmal ungerecht. Aber immer leidenschaftlich für eine bestimmte, kompromisslose Form des Kinos, wie es uns vorschwebte. Hier sei eine unveränderte, chronologische Auswahl aus dieser bewegten Zeit wiedergegeben, an deren Ende ich begann, eigene Kurzfilme zu drehen.

Death Proof | Quentin Tarantino | 2007 (7/10) Der neueste Tarantino ist anders als seine Vorgänger. Er ist ruhiger, spielt aber unvergleichlich mit der Palette filmischer Mittel, wie es heute eher selten geworden ist. Als Hommage an die Grindhouse-Trashfilme gedacht, kann ich hier nur von einem vollen Erfolg sprechen, allerdings muß der Zuschauer mehr auf Details achten, als man dies von Tarantino sonst gewöhnt ist, denn die Story ist (wie oft bei Trash-Filmen) eher (gewollt) dünn. Die jugendlichen Freunde des Testosteron-Kinos werden hier allerdings wohl eher enttäuscht sein.

The Simpsons Movie | David Silverman | 2007 (6/10) Nachdem ich den Film gestern noch einmal im Original bestaunen durfte, bin ich überrascht, daß er beim zweiten Sehen unglaublich an Wirkung einbüßt. Viele Gags zünden bei einer zweiten Sichtung nicht mehr, was bei mir eine seltame Langeweile hat aufkommen lassen. Schade, denn ansonsten hat mir sehr gefallen, wie sich das Amerikabild seit dem Start der Fernsehserie gewandelt hat. War am Anfang noch die Nation respektiert, so ist hier nur noch die Familie und die Heimatstadt vertrauenswürdig.

La fille coupée en deux | Claude Chabrol | 2007 (2/10) Der neueste Chabrol läuft in Frankreich schon seit einigen Wochen und das durchaus mit Erfolg. Ich kenne das Oeuvre Chabrols in und auswendig, muß aber hier sagen, daß dieser Film eine große Enttäuschung geworden ist. Und noch schlimmer: er langweilt. Von einigen Fehlbesetzungen abgesehen und trotz der herausragenden Leistung Magimels als Dandy-Muttersöhnchen plätschert die Handlung nur so dahin. Der Mord am Filmende ist nur Garnitur. Am schockierensten war für mich aber die Kameraarbeit des sonst großartigen Edouard Serra. Der ganze Film ist kein Kino, er ist Fernsehen! Zu 80% sieht man nur Großaufnahmen von redenden Menschen im Schuß/Gegenschuß-Verfahren! Mir drehte sich der Magen um, aber wahrscheinlich hat man schon auf die DVD-Auswertung geschielt. Für einen Altmeister wie den Cinasten Chabrol ist dieser Film ein absolutes Armutszeugnis.

Ratatouille | Brad Bird | 2007 (10/10) Das erfreulichste Ereignis im August: Pixars neuer Animationsfilm Ratatouille. Um es kurz zu machen: Es ist der gelungenste, intelligenteste und unterhaltsamste 3D-Film, den ich bisher gesehen habe. Man spürt zu keiner Zeit, daß hier ein PC-verantwortlich ist, die Figuren leben. Schon jetzt, wo ich drüber schreibe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Das Script sprüht über vor gelungenen Einfällen: ist liebenswert, intelligent und kultiviert zugleich. Außerdem kommt er in perfekt auskomponierten Cinemascope-Bildern daher die ein visueller Traum sind. So muß ein Animationsfilm im Jahre 2007 aussehen! Ich könnte heulen vor Freude!

The Straight Story | David Lynch | 1999 | USA | 9/10 Wegen der Entdeckung der Langsamkeit im Kino.

La demoiselle d'honneur | Claude Chabrol | 2004 | Frankreich | 7/10 Wegen der traumverlorenen Grundstimmung und der Tatsache, daß hier jeder jeden belügt.

Conte d'été | Eric Rohmer | 1996 | Frankreich | 10/10 Wegen der Unentschlossenheit der Hauptfigur, wegen der Lieder, weil es damals vor 10 Jahren mein erster Rohmer war und der mir die Augen geöffnet hat und weil ich diesen Sommer in Dinard meinen Urlaub verbracht habe.

Smultronstället | Ingmar Bergman | 1957 | Schweden | 9/10 Wegen der Kindheitserinnerungen, des Bergman-untypischen Optimismus und des genialen Schauspiels Victor Sjöströms und weil es einfach Kino in Reinform ist.

Les fantômes du chapelier | Claude Chabrol | 1982 | Frankreich | Frankreich | 8/10 Wegen Michel Serrault, der herrlichen Gassenszenen und der glaubhaften Simenonschen Grundidee.

Hommes, femmes, mode d'emploi [F 1996, Claude Lelouch] (7/10) Im Verknüpfen von menschlichen Schicksalen ist Lelouch ungeschlagen, und ich liebe seinen kommerziellen Nouvelle-Vague-Stil. Am meisten verblüfft jedoch die Schauspielleistung des Industriellen Tapie, der hier zusammen mit Lucchini den Film heraushebt. Lelouch scheint mir zudem eine Schwäche für den Place de la Concorde zu haben, da er ihn hier wie zuvor in La belle histoire in schönstem Cinemascope photographiert.

Tonari no Totoro (Mein Nachbar Totoro) [J 1988, Hayao Miyazaki] (9/10) "The one that startet it all", würde Disney sagen. Und das zurecht: Bei Filmen, die die Phantasie anregen, kann ich gar nicht anders als schwärmen. Ich bin immer wieder sprachlos, wie viele Geister es im Japanischen gibt. Irgendwie hat mich die Geschichte auch an Pans Labyrinth erinnert.

Kvinnodröm (Frauenträume) [S 1955, Ingmar Bergman] (5/10) Ein früher Bergman, der trotz guter Kameraarbeit heute etwas angestaubt wirkt.

Une belle fille comme moi [F 1972, François Truffaut] (7/10) Eine quicklebendige Krimigroteske, die großen Spaß macht.

Vivement Dimanche [F 1983, François Truffaut] (8/10) Truffauts Letzter zeigt noch einmal, wie pures Kino aussehen kann.

Il Fiore delle mille e una notte [I 1974, Pier Paolo Pasolini] (7/10) I Racconti di Canterbury [I 1972, Pier Paolo Pasolini] (7/10) Il Decameron [I 1971, Pier Paolo Pasolini] (8/10) Pasolinis Trilogie des Lebens gefällt mir wegen ihres Optimismus und ihrer versteckten Konsumkritik. Besonders gefällt mir die Szene, wo die 3 Jünglinge den Teufel suchen, und zu dem Baum gelangen... Wo sind heute Köpfe wie Pasolini, die so archaische Welten ins Kino bringen?

Juno and the Paycock [UK 1930, Alfred Hitchcock] (1/10) Dieser Film ist so schlecht, daß er hier eigentlich gar nicht aufgeführt werden dürfte. Allein als Zeitdokument brauchbar, wenn man die berühmten Theaterschauspieler mal live erleben will, über die damals so euphorisch geschrieben wurde.

Heisei tanuki gassen pompoko (Pom Poko) [J 1994, Isao Takahata] (8/10) Ich mochte schon immer die tiefsinnige Art von Takahata. Dieser Film ist ein Loblied an Phantasie und Tradition, aber auch eine bittere Frage, wie weit wir uns mit all unserer Technik und Beton von der Natur/Lebensqualität entfremdet haben.

On the Waterfront [USA 1954, Elia Kazan] (8/10) Wegen Marlon Brandos realistischer, elektrisierter Spielweise.

Monsieur Max [F 2007 Gabriel Aghion] (6/10) Jean-Claude Brialy zeigt ein letztes Mal, wieso er eine der prägensten Schauspielerpersönlichkeiten des französischen Kinos der letzten 60 Jahre war. Die Geschichte ist recht interessant erzählt: Picasso, Cocetau, Marais, und Guitry machen den Film sehr vielschichtig. Gestört hat mich allein, daß die Deutschen hier wieder in typischer Schwarzweißmalerei dargestellt werden, die ich für einen modernen Film von 2007 für unangebracht halte. Vor allem im Fernsehen.

Top Hat [USA 1935, Mark Sandrich] (5/10) Perfekt inszeniert und gespielt, vor allem "Heaven, I'm in Heaven ..." vergißt man danach nicht mehr. Allerdings kam er mir auch seltsam angestaubt vor, so daß ein flauer Nachgeschmack bleibt.

Irezumi (Die Tätowierung) [J 1966, Jasuzo Masumura] (8/10) Dieser bildgewaltige, bizarre Cinemascopestreifen taucht den Zuschauer in eine seltsam-entrückte Welt, in welcher er einen bis zum Schluß gefangen hält und Staunen läßt. Japanische Nouvelle Vague vom Feinsten!

Roman de Gare [F 2007, Claude Lelouch] (9/10) Nach den vielen Mißerfolgen der letzten Jahre kehrt Lelouch wieder zu Leichtigkeit und Erfindungsreichtum zurück, der ihn in den 60ern über Nacht zum Starregisseur machte.

Ratatouille [USA 2007, Brad Bird] (10/10) Der beste, intelligenteste und lebendigste Animationsfilm den ich kenne. Außerdem ist er ein Schlag ins Gesicht der Fastfoodzombis und ein Loblied an das Autodidaktentum. Werner Herzog hätte an dieser Ratte, die ohne Bildung und Rattenschulabschluß Höchstleistungen vollbringt, seine wahre Freude. Am besten französisch synchronisiert schauen!

La marié était en noir [F 1968, François Truffaut] (8/10) Was kommt heraus, wenn Truffaut einen Hitchcockfilm machen möchte? Ein äußerst interessantes, unterhaltsames Konstrukt, auch wenn der ausgefeilte Thriller-Hitchcockpart etwas durch die Truffauttypischen Szenen verlangsamt wird. Trotzdem wurde der Film eine der Inspirationen für Kill Bill. Die im Kino bewunderten knackigen Eastmancolor-Farben sind in den DVD-Releases übrigens verblichen.

Les Amours d'Astrée et de Céladon [F 2007, Eric Rohmer] (10/10) Pure Poesie in 16mm und Vollbild aus einer längst vergangenen Welt. Der 87jährige Rohmer ist hier so jung wie nie. Ein ganz großer Wurf.

Ensemble, c'est tout [F 2007, Claude Berri] (7/10) Altmeister Claude Berri bringt hier das Wunder fertig, aus einer klischeenahen Handlung eine glaubhafte Liebesgeschichte zu formen. So etwas können nur die Franzosen. Eine große Überraschung.

Schastye/Das Glück [UDSSR 1932, Alexander Medwedkin] (8/10) Mit Livemusik. Ein grotesk-surrealistisches Meisterwerk, bei dem mir die Szenen mit dem Pferd, den Hunden, den Soldaten in Masken und dem rätselhaften Baum wohl immer im Gedächtnis bleiben werden.

Chelovek s kino-apparatom/Der Mann mit der Filmkamera [UDSSR 1929, Dziga Vertov] (7/10) Mit Livemusik von Michael Nyman. Hat bei mir eher den Verstand als das Gefühl angesprochen. Obwohl grandios gefilmt, ist der Funke ist bei mir nicht übergesprungen.

Auf der anderen Seite [D 2007, Fatih Akin] (8/10) Der Film hat zurecht den Preis für das beste Drehbuch bekommen, endlich mal wieder ein deutscher Film, bei dem der Regisseur etwas zu sagen hat, und der Zuschauer mit geschärften Blick aus dem Kino geht. Vor allem hat mir Hanna Schygulla gefallen, wie sie ganz allein im Hotelzimmer versucht hat, mit dem Verlust ihrer Tochter klarzukommen.

Planet Terror [USA 2007, Robert Rodriguez] (7/10) Unzählige Anspielungen an Romeros Zombifilme, gefilmt durch meterdicke Ironie. Und einige Figuren aus Death Proof machen hier erst richtig Sinn, man sollte sich deshalb die beiden eigentlich im Doppelpack ansehen. Ein sehr gut gemachter, unterhaltsamer Film mit einem göttlichen Fake-Trailer.

Über Jiang Wen: Jiang Wen ist einer der wichtigsten (und talentiertesten) chinesischen Schauspieler/Regisseure. Eine seiner ersten Hauptrollen hatte er in Zhang Yimous Rotes Kornfeld. Danach gab er sein eindrucksvolles Debut als Regisseur mit In the Heat of the Sun, einer Coming of Age-Story im China der Kulturrevolution. Eine Gruppe von Jugendlichen zeigt darin, wie es in einem Peking, das durch die Kulturrevolution weitgehend von Autoritäten entvölkert war, gewesen sein mochte, jung und völlig frei – aber auch ziellos zu sein. Die politischen Zustände werden nur angedeutet. Es ist nur scheinbar ein nostalgischer Film über die guten alten Tage der Kulturrevolution, eher eine selbstbewußte post-moderne Demontage des modernen chinesischen filmischen Realismus, ein ironisches, romantisch durchtränktes Fragezeichen der Möglichkeit von Eros und Leidenschaft in einem totalitären System und eine Meditation über Chancen und Möglichkeiten der Erinnerung. Obwohl der Film Volker Schlöndorf gewidmet ist, ist es Martin Scorsese, der den Film beseelt. In the Heat of the Sun leiht sich die Voice-overs und das Bandenmilieu aus Mean Streets und Goodfellas, Robert de Niros Armeejacke aus Taxi Driver und sogar Cavaliera Rusticana aus Raging Bull. Jiang setzt all dies in einen neuen Kontext und ist ein Meister, wenn es darum geht, den Bildern durch gekonnten Musikauswahl eine neue Bedeutung zu geben, beispielsweise wenn die Kinder einen Jungen mit einem Ziegelstein zusammenschlagen und im Hintergrund läuft die Internationale. Es gab nichts Vergleichbares zuvor im chinesischen Kino, und es öffnete die Pforte für die widerspenstige Sechste Generation chinesischer Regisseure. Sein nächstes Regieprojekt war Devils on the Doorsteps, der auf ironische Art und Weise die japanische Okkupation Chinas thematisiert. Der Film, bei dem er auch gleichzeitig wieder die Hauptrolle spielt, hat 2000 in Cannes den Gand Prix gewonnen und wurde sein bis dahin größter Triumph. Kurz danach wurde ihm für 7 Jahre verboten, Regie zu führen und als Schauspieler tätig zu sein, weil er darin das Verhalten von Japanern wie Chinesen in gleicher weise kritisch beleuchtet hatte. Das Schauspielverbot hat man allerdings kurze Zeit später wieder gelockert, weil er als Schauspieler einfach zu bedeutend ist. Dieses Jahr hat er pünktlich am Ende seiner Regiesperre seinen neuen Film vorgestellt (Trailer hier). Ich hoffe, es kommt bald auch eine DVD mit englischen Untertiteln, während eine chinesische schon seit kurzem erhältlich ist. Während Zhang Yimou durch seine beschichtigende, vorsichtige Art einerseits von der chinesischen Führung hofiert wird (er darf die Olympiade inszenieren) und ihr andererseits gelegentlich etwas auf die Füße tritt (Riding alone for Thousands of Miles), agiert Jiang Wen wie ein chinesischer Godard: er sagt, was er für richtig hält und nutzt seine immense Stellung als einer der besten Schauspieler Chinas aus, um China kritisch zu hinterleuchten, egal ob offiziell gewünscht oder nicht. Zum Einstieg empfehle ich dir den wunderbaren Devils on the Doorsteps.

Intolerance: Love's Struggle Throughout the Ages/Intoleranz [USA 1916] (9/10) Ein Wahnsinnsfilm, der in seiner Ausstattung wie Story überzeugt. Auch die neue Musik ist wunderschön.

Flic ou voyou/ Der Windhund [F 1979, Georges Lautner] (6/10) Ein unterhaltsamer Krimi in einer Welt, die einzig für Belmondo geschaffen zu sein scheint. Lautner hat das ganze später mir Le Professionnel noch getopt.

Get Rich Quick [USA 1911] (4/10) Einer der zahlreichen Filme, die in den Anfangsjahren des Kinos in den ambitionierten Thanhouser-Studios gedreht wurden und die recht trotz beschränkten Budget innovativ und erfrischend sozialkritisch waren.

The Coffin Ship [USA 1911] (6/10) Only in the way [USA 1911] (5/10) Ulysses [GB 1967, Joseph Strick] (7/10) Strick beweist, daß es doch möglich ist, aus dem wichtigsten Roman der Irischen Literatur überhaupt einen Film zu machen, auch wenn der Film nur ansatzweise ein Gefühl dafür gibt, was der literarische Stream-of-conciousness bei Joyce ausdrücken kann. Dennoch überwältigend schöne Cinemascope-Bilder und viele überraschende Einfälle.

Alraune [D 1952, Arthur Maria Rabenalt] (5/10) Obwohl der große Robert Herlth die expressionistisch angehauchten Bauten gestellt hat und Erich von Stroheim einprägsam wie immer spielt ist dieses Remake des berühmten Stummfilmklassikers um eine Männermordende Schönheit hier durch die Unfähigkeit des Regisseurs gründlich unter seinen Möglichkeiten geblieben.

Les anges exterminateurs/Teuflische Engel [F 2006, Jean-Claude Brisseau](5/10) Brisseau gilt in Frankreich spätestens nach Choses Secrètes, welches von den Cahiers hochgelobt wurde als cineastisches Wunderkind. Seine Fortsetzung, bei der er viel Autobiographisches einfließen läßt, ist dagegen ungewöhnlich konstruiert und voller blasser Schauspieler. Einzig die hübschen Mädels reißen den Film etwas raus. :-)

Kind Hearts and Coronets/Adel verpflichtet [UK 1949, Robert Hamer] (8/10) Eine wunderbar gespielte und inszenierte, schwarzhumorige britische Komödie, wie sie Hitchcock und Chaplin sicher geliebt haben und die jeden Engländer in seiner Seele packt. (Auch für Ausländer) einfach wunderbar.

La belle noiseuse/Die schöne Querulantin [F 1991, Jacques Rivette] (9/10) In 4 Stunden erzählt über Rivette einen Künstler, der mittels neuem Modell sein definitives Meisterwerk schaffen will. Eine wunderbare Reflexion über Kunst und Leben, und die Suche nach dem Sinn darin.

Halloween [USA 1978, John Carpenter] (7/10) Wirkungsvoller Genrehorror, sehr effektiv in Szene gesetzt. Witzig fand ich auch den Verweis auf The Thing von Howard Hakws/Nyby.

Poltergeist [USA 1982, Tobe Hooper] (7/10) Der Film begann traumhaft ironisch, aber trotz technisch eindrucksvoller Trickeffekte wurde die Wirkung viel zu sehr durch die klischeehafte Darstellung der Eltern (Im Augenblick der größten Gefahr ein inniger Kuß) und der typischen spielbergschen Familienelemente. Insgesamt bleibt aber ein sehr positiver Eindruck!

Nuit et brouillard [F 1955, Alain Resnais] Für mich der beste Film über die Schrecken der NS-Herrschaft und die Frage nach Verantwortung. (9/10)

Hiroshima mon amour [F 1959, Alain Resnais] Nevers geht mir hier nicht mehr aus dem Kopf. Ein großer Film. (9/10)

L'année dernière à Marienbad [F 1961, Alain Resnais] Ich hatte mich schon immer gefragt, woher Kubrick die Idee zu den statisch-agierenden Personen im Shining-Ballsaal hatte. Jetzt weiß ich es. Kubrick liebte diesen Film, und ich ebenfalls. Ich muß auch unbedingt mal den Roman von Robbe-Grillet lesen. (9/10)

La guerre est finie [F 1966, Alain Resnais] (7/10) Ein Revolutionär hats schwer.

Stavisky [F 1974, Alain Resnais] Hier wird in wunderschönen Kulissen und bewußt zusammenhanglosen Szenen das Sterben einer ganzen Epoche demonstriert. (7/10)

Mon oncle d'Amérique [F 1980, Alain Resnais] Oberflächlich gesehen unterhaltende Verhaltensforschung, wunderbar gespielt und inszeniert. Unter der Fassade geht es Resnais jedoch um viel mehr. (9/10)

La vie est un roman [F 1983, Alain Resnais] Ein merkwürdiger aber lohnender Film auf drei ineinandergreifenden Erzähl- und Realitätsebenen. Hier greift Resnais zum ersten mal auf das Singen zurück, um eine erste Thematik aufzulockern. Tolle Bauten und Dialoge. (7/10)

L'amour à mort [F 1984, Alain Resnais] In einer kargen Winterlandschaft werden Fragen nach Glück und Schmerz, Leidenschaft und Einsamkeit, Leben und Tod gestellt. Die flockenähnlichen Überblendungen verwendet Resnais in ähnlicher Form bei Herzen/Coeurs [2006] wieder. Die Musik stammt vom großen Hans Werner Henze. (7/10)

Mélo [F 1986, Alain Resnais] Wenn man ein Theaterstück verfilmt, dann so! Wie bei Resnais üblich sind die schönen Fassaden nur Schein: wieder geht es um Personen auf Sinnsuche. (7/10)

I Want to Go Home [F 1989, Alain Resnais] Charlie Brown und Mickey Mouse sind genauso bedeutend wie Flaubert und Stendhal. Ein sehr unterschätzter Film. Wie Marin Karmitz so schön sagte: La regle du jeu 50 Jahre später. (7/10)

On connaît la chanson [F 1997, Alain Resnais] Die Chansons sind hier wieder nur schöner Schein in einem Film, wo jeder sich selbst und andere täuscht. (8/10)

Pas sur la bouche [F 2003, Alain Resnais] Mit dieser stilsicheren Verfilmung dieses Musicals aus den 20ern erfüllt sich Resnais einen Jugendtraum und läßt viele seiner Stammschauspieler singen. Zu Unrecht ist der Film nicht in die deutschen Kinos gekommen. (7/10)

Cruising [USA 1980, William Friedkin] Brian de Palma wollte den Roman schon verfilmen, hatte aber die Rechte nicht bekommen. Friedkin macht daraus trotz des schwierigen Themas und der Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten einen erstaunlich innovativen und spannenden Thriller mit vielen offenen Fragen. (6/10)

Je vous trouve très beau [F 2005, Isabelle Mergault] Bauer sucht Frau auf französisch. Und damit auch intelligenter und gut gespielt, aber zum Schluß hin verfängt sich der Film ganz in Konvention und Kitsch. (6/10)

Que la bête meure [F 1969, Claude Chabrol] Vielleicht Chabrols bester Film überhaupt. Eine meisterliche Studie über menschliche Verhaltensweisen mit viel Symbolik, die ganz nebenbei auch noch trefflich zu unterhalten weiß. (9/10)

Gycklarnas afton [S 1953, Ingmar Bergman] Ein schöner früher Bergman. Besonders hat mir die Szene mit Harriet Andersen gefallen, als sie unter dem Psychoterror des Schauspielers ausgesetzt war. Aber vielleicht habe ich auch nur auf ihren formschönen Körperbau geguckt Smile Jedenfalls ein gelungener Film. (7/10)

Lions for Lambs USA 2007, Robert Redford] Obwohl Redford durchaus intelligente Überlegungen anstellt, krankt der Film mit seinen linear erzählten Geschichten jedoch an seiner konventionellen, uninspirierten Machart. Das retten auch die gut gespielten Szenen zwischen Cruise und Meryl Streep nicht mehr. (5/10)

1408 [USA 2007, Mikael Håfström] Obwohl der Film zahlreiche recht originelle Einfälle aufweist und durchgängig sehr unterhaltsam ist, wirkt mir vieles zu gewollt und dieser Eindruck verstärkt sich noch durch die wenig subtile Filmmusik.Hier hätte man nur bei Shining abgucken müssen. Ein mittelmäßiger Film mit guten Momenten. (6/10)

Dialogue avec mon jardinier [F 2007, Jean Becker] Wenn ein Film auf dem Land spielt, muß man das Land auch bitteschön so filmen. Die vorhersehbare, gegen Ende des Films immer platter werdende Handlung mit ihren banalen Lebensweisheiten tut dann ihr übriges. Fernsehen im Kino. (5/10)

Das Cabinett des Dr. Caligari [D 1920, Robert Wiene] Wie erwartet auch beim neuerlichen Sehen mit Livemusik ein Erlebnis. Allerdings geht es mir hier wie mit allen Filmen Robert Wienes: er wirkt zu künstlich und seine Faszination ist für mich nur eine intellektuelle. Die einzige Stelle, wo ich immer wieder dahinschmelze ist die Stelle? "Wie lange werde ich leben?" - "Bis zum Morgengrauen..." (8/10)

Beowulf USA 2007, Robert Zemeckis] Gesehen als 3D-Projektion. Als Fan des Beowulf-Epos habe ich mich hier sehr gut unterhalten, die Tricks sind wirklich gelungen, auch wenn mir die Frauenrollen schlecht animiert scheinen und ich Angelina Jolie als "Mutter" für furchtbar fehlbesetzt halte. Zudem stotzt das Drehbuch nur so von Plattitüden, etwa wenn das Mädel mit der Harfe in heutiger Telenovela-Manier von ihrer Einsamkeit singt. Also bitte. (6/10)

Bullitt [USA 1968, Peter Yates] Bullitt ist einer der Filme, bei denen ich nicht so recht weiß, wieso sie einen solchen Kultstatus genießen. Weder die Kameraführung noch die Geschichte konnten mich überzeugen. Einzig die Autoverfolgungsjagden waren schön gemacht. Ein langweiliger, sperriger Film. (5/10)

Ein Tolpatsch auf Abwegen/On aura tout vu [F 1976, George Lautner] Man sollte die Filme mit Pierre Richard immer zuerst als das sehen, was sie sind: Unterhaltung. Wenn es dann aber noch ausnahmsweise gelingt, ein sehr amüsantes und einfallsreiches Bild der französischen Pornoindustrie (!) zu zeichnen, dann hebt er sich aus dem Komödien-Einerlei der 70er auffallend heraus. (6/10)

Der Verlorene [BRD 1951, Peter Lorre] Man kann glaube ich nicht ermessen, wie groß Peter Lorres Schmerz gewesen sein muss, als diese seine erste und meisterliche Regiearbeit in Deutschland vom Publikum mit Mißachtung und Haß gestraft wurde. Peter Lorre knüpft in Der Verlorene in vielerlei Hinsicht an Langs M an und bringt einen bedrückenden Realismus und Pessimismus ins Spiel, der für den damaligen Heimatfilmvernebelten Zuschauer wie eine radikale Entziehungaskur gewirkt haben muß. Einer der besten deutschen Nachkriegsfilme! (8/10)

Scaramouche [USA 1952, George Sidney] Selten habe ich einen so perfekt inszenierten Mantel und Degen-Film gesehen, der eindrucksvoll zeigt, was das alte Hollywoodkino weltweit so erfolgreich gemacht hat. Die Frauen im Film sind allesamt bildschön, Stewart Granger in seiner besten Rolle so abenteuerlustig wie nie, der Bösewicht ist glaubwürdig und die Geschichte hält einige unerwartete Wendungen parat. Daß man hier zudem noch die längste und eindrucksvollste Fechtszene der Filmgeschichte zu sehen bekommt, muss ich nicht weiter erwähnen, oder? (8/10)

Soy Cuba [UdSSR 1964, Michail Kalatosow] Scorsese sagt in dem langen Interview, daß ihm der Film oft geholfen habe, wieder eine unbändige Lust am Filmemachen zu haben. Die Kameraarbeit ähnelt etwas der der französischen Nouvelle Vague, nur daß hier alles gelungen aussieht. Kalatosow war ja auch selbst Kameramann und konnte so wunderbar Simmungen in wirkungsvolle Bilder umwandeln, mit einer Perfektion, wie ich das nur selten gesehen habe, eben weil es dazu noch so realistisch gefilmt ist: Szenen unter Wasser, während der Autofahrt, durch den Busch usw. Vieles in der ersten Hälfte des Films hat mich sehr an die letzten Filme Friedrich Wilhelm Murnaus erinnert, was eines der größten Komplimente ist, die ich einem Film machen kann. Zum einen seitens der Moral, etwa wenn das Mädchen ihr Kreuz verkauft, mit dem Geld im Bett liegt und ihr Freund hereinkommt. Die Spannung, die hier in der Luft liegt ist unglaublich. Doch auch manche Aufnahmen könnten aus Tabu stammen. Insgesamt ein wunderbarer Film, nach dem man wie schon bei Panzerkreuzer Potemkin fast für eine bessere Zukunft mitstreiten will. DIE Entdeckung des Jahres für mich! (Dank an das DVDuell-Forum) (9/10)

Bel Ami [D 1939, Willi Forst] Der Prop.-Minister hatte mal über Willi-Forst gesagt: "Wenn der Forst kein Jude ist fress' ich den Göring" Obwohl der wiener Schauspieler und Regisseur Willi Forst bei der Führung eher unbeliebt, feierte er bei den Zuschauern stets große Erfolge. Er nimmt sich hier Maupassants berühmten Romans an, in dem ein Taugenichts mit Hilfe von Frauen in die höchsten Kreise der Gesellschaft kommt. Dabei führt Forst die Regie und spielt die dekadente Hauptrolle, die starke Parallelen zu seinem wirklichen Privatleben aufweist selbst. Das Paris des 19. Jahrhundert wird hier wie das Wien der Zeit inszeniert und man hält sich für die damalige Zeit erstaunlich eng an die subversive Ronmanvorlage. Das Ende ist hingegen leider konventionell und glattgebügelt, statt weiterem zügellosen Treiben der Hauptfigur wird die festigende Ehe propagiert. Trotzdem einer der besten Filme der 30er. (6,5/10)

Bin-Jip [S-Korea 2004, Kim Ki-Duk] Ein Film von wohl derzeit talentiertesten koreanischen Regisseur, der auf verblüffende Weise zeigt, daß man selbst heute nahezu keinen Ton braucht um eine unglaublich poetische und liebevolle Geschichte zu erzählen. Selbst wenn manches bereits aus seinen Vorgängerfilmen bekannt sind (Golfschläger, Bogenschütze) schafft er doch Bilder und Situationen, die sich ins Gedächtnis brennen, in die man gerne eintauchen würde und die uns zum Träumen anregen. Grandios. (8/10)

Life of Brian [GB 1979, Terry Jones] Was an diesem Film neben der genialen Ensembleleistung, wo nahezu jede Dialogzeile zum Gemeingut wurde so fasziniert, ist die Geschicklichkeit, wie hier religiöser Fanatismus parodiert und Machtstrukturen demontiert werden. (9/10)

The Shining [UK/USA 1980, Stanley Kubrick] Am faszinierendsten finde ich, wie Kubrick hier klassische Motive des Horror-Romans des 19. Jhds. verarbeitet und sich eingehend damit beschäftigt hat, wie "Das Unheimliche" im Freudschen Sinne filmisch erzeugt werden kann. Nur weniges wird abschließend geklärt, Zahlenspiele, Dopplungen, Spiegelungen und Labyrintische Gänge herrschen vor. Ein Film, der nie langweilig wird, deshalb auch hier wieder überzeugte: (10/10)

The searchers [USA 1956, John Ford] Für mich definitiv der perfekteste Western von John Ford, und dazu noch im messerscharfen VistaVision-Format! Langsam wird mir klar, warum Wim Wenders ihn seinen Lieblingsfilm nennt. (9/10)

Coeurs [F2006, Alain Resnais] Der neueste Resnais hat seine größte Stärke im Unausgesprochenen, man ahnt schon zu Beginn, daß die titelgebenden Herzen auch am Ende nicht zusammenfinden werden. Zuviel Unehrlichkeit und die Tatsache, daß auch hier wieder wie bereits in "Das Leben ist ein Chanson" ein Doppelleben führt, verstärkt dies noch. Die zahlreichen komischen Momente im Film sind nur Oberfläche, unter der das Gefühlsleben der Protagonisten eisig-kalt ist. Die Montage, die Bauten, die Inszenierung und die schneeflockenartig-kalten Übergänge machen diesen Film zu einem der besten Resnais' und haben ihm zurecht den Silbernen Löwe in Venedig für die Beste Regie beschehrt. (9/10)

Futurama: Bender's Big Score USA 2007, Dwayne Carey-Hill] Der erste von vier geplanten Futurama-Filmen im Breitwandformat für die heimische kleine Leinwand will es wirklich dem Fan recht machen. Die Kenntnis der bisherigen Folgen wird absolut vorausgesetzt und wirklich jede Figur der Serie bekommt einen Auftritt in der sehr komplexen Zeitreisegeschichte. Grundsätzlich ein sehr schöner Film mit deutlich besseren Animationen, der aber etwas zu prall geschnürt ist. Trotzdem ein großer Spaß, vor allem im Vergleich zum viel zu weichen Simpsons-Film. (7/10)

Cyrano de Bergerac [F 1990, Jean-Paul Rappeneau] 100 Millionen Francs Budget, der theatererfahrene Gerard Depardieu in der Hauptrolle, Jean-Claude Carrière als Drehbuchautor und Mantel-und-Degen-Spezialist Rappenau als Regisseur, was kann da schon schiefgehen? Viel. Die Verfilmung von Edmond Rostands vor rund hundert Jahren verfaßten Theaterstückes über Cyrano de Bergerac, der daran litt, daß sein Hunger auf Frauen genau so groß wie seine Nase lang war, ist so konventionell inszeniert und geschnitten, daß er auch im Fernsehen hätte laufen können. Carrière Drehbuch versucht zwar das Theaterstück aufzubürsten, jedoch pendelt der Film ständig zwischen abgefilmten Theater und überdimensionierten Schlachtszenen hin und her. Wäre da nicht die wunderbare Interpretation Depardieus, der die Alexandriner-Verse spricht, als ob sie nur für ihn geschrieben worden seien und meine Begeisterung für das Stück als solches, man könnte schon von Langeweile sprechen. (5/10)

Full Metal Village [D 2006, Sung Hyung Cho] Einer der besten Dokumentarfilme des Jahres. Obwohl es ursprünglich um den Gegensatz zwischen den Heavy-Metall-Fans und den Einwohnern des Dorfes Wacken geht, zeichnet er die Dörfler mit großem Mitgefühl und schafft ganz wunderbare und einzigartige intensive Tableaus. Der alte Bauer hat mich jedoch irgendwie an David Lynch erinnert Wink (9/10)

The science of sleep/La science des rêves [F 2006, Michel Gondry] Über diesen Film kann ich noch gar nichts schreiben, so platt bin ich nach dem gestrigen Sehen zum Jahresausklang. Ein wunderbarer Vertreter des Expressionismus von heute und die Frage, ob es mehr braucht als Phantasie um ein Mädchen zu betören. Gondy schafft es wie in seinem Vorgängerfilm ganz intensive, authentische Momente zu visualisieren, wie man es noch nie gesehen hat. So muss Kino heute aussehen! (10/10)

Le Mépris [F 1963, JLG] Der Film ist definitiv einer meiner ganz großen Lieblinge und drückt so schön wie kaum ein anderer aus, warum man das Kino einfach lieben muss. Immer noch die euphorische Wertung: (10/10) Die OmU-Kinokopie war dagegen bescheiden: entweder waren die Untertitel scharf oder der Film, zudem gesellten sich zwei Filmrisse. Mir scheint, hier wollte jemand meinen Glauben an Godard auf die Probe stellen. Smile Die DVD ist da ausnahmsweise von besserer Qualität als die Kinopräsentation.

The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford Ein guter Film, vor allem auch schauspielerisch dank Casey Affleck überzeugend, jedoch mit zu perfekten Bildern. Auch stellt sich die Frage, ob die Geschichte die Überlänge des Films trägt. Ansonsten kommt man um dieses Highlight so schnell nicht herum. (8/10)

La bonne année/Ein glückliches Jahr [F 1973, Claude Lelouch] (8/10) Gleich zu Beginn werden wir getäuscht: wir sehen Ausschnitte aus "Ein Mann und eine Frau" und bemerken erst später, daß es sich um eine Kinovorführung im Gefängnis handelt. Wir hören Mireille Matthieu und sehen erst nach einer Weile, warum sie es offensichtlich nicht ist. In der folgenden brillanten Juwelenraubgeschichte geht die Camouflage dann weiter, angereichert mit viel Romantik, wobei man einfach akzeptieren muß, daß man hier in Lelouchs Universum ist, wo Worte wie "Je t'aime, je t'aime plus" alles oder nichts bedeuten. Stanley Kubrick war von dem Film so angetan, daß er ihn vor all seinen Dreharbeiten den Schauspielern zeigte, damit sie so spielen wie in "La bonne année".

Karl May [BRD 1974, Hans-Jürgen Syberberg] (9/10) Je mehr ich Syberbergs Filme entdecke, desto mehr staune ich über sein Sprachtalent und wie er dadurch vergangene Zeiten realistisch auferstehen läßt. Der Film selbst zeigt die Widersprüche der letzten Jahre Karl Mays, seinen Kampf mit Verlegern und Anwälten, ohne den es das Alterswerk nicht gegeben hätte. Er wird zum "Dichter der letzten wilhelminischen Heldenlieder", wobei eine grandiose Riege ehemaliger Ufa-Schauspieler wie Helmut Käutner zu dem Gelingen des Films beitragen.

Close Encounters of the Third Kind [USA 1977, Steven Spielberg] (7/10) Spielberg zeigt hier entgegen dem damaligen Trend ein ganz und gar optimistisches Science-Fiction-Spektakel, das unterhält und staunen läßt. Truffaut schrieb mal, daß er sich in dem Sandsturm genauso schlecht gefühlt habe, wie er im Film aussah und spielt im Film wie schon in seinem "Wolfsjunge" einen Wissenschaftler.

Magnificent Obsession/Die wunderbare Macht [USA 1953, Douglas Sirk] (7/10) Dieses Remake von Douglas Sirk weiß man erst so richtig zu schätzen, wenn man das Original von 1935 gesehen hat. Sirk gelingt es, alles Biedere rauszunehmen und dem Film mehr Schwung zu verleihen. Jane Wyman ist wie gewohnt überzeugend, jedoch wirkt alles wie eine Vorarbeit zum gelungenerem "All that heaven allows". Trotzdem mehr als durchschnittlich.

Napoléon [F 1927, Abel Gance] 9/10 Vermutlich der einzige Film, bei dem ich alles stehen und liegen lassen würde, wenn er irgendwo in Polyvision gezeigt würde. So ziemlich alles hier ist Legende: Albert Dieudonnés Verkörperung von Napoleon, Gances verwegene und innovative, stellenweise an Stroheim gemahnende Regie, die unzähligen Fassungen und die von Coppola verursachte andauernde Rechtetragödie. Selten spürt man die Urgewalt des Kinos so wie hier.

Je t'aime, je t'aime [F 1968, Alain Resnais] Resnais arbeitet hier mit dem damals sehr bekannten Schriftsteller Jacques Sternberg zusammen, um einen gehaltvollen, raffiniert inszenierten Science-Fiction-Liebesfilm über Vergangenheit und Erinnerungen zu drehen, der mit seinem Erfindungsreichtum sehr verstört und den man erst nach mehrmaligem Sehen verstehen kann. Die speziell für diesen Film komponierte Musik stammt vom zeitgenössischen Avant-Garde-Komponisten Krzysztof Penderecki, dessen Kompositionen u.a. auch in "Shining" und und "Inland Empire" verwendet wurden. Und Olga Georges-Picot kommt in meine persönliche Galerie der schönsten Frau der Kinogeschichte.

Bug [USA 2006, William Friedkin] (8/10) Am stärksten fand ich Friedkin schon immer, wenn er bei seinen Charakterstudien den schmalen Grat zwischen Normalität und Wahnsinn gezeichnet hat. Hier dient als Vorlage ein Theaterstück, und man merkt das dem Film auch an. Trotz der interessanten Spielhandlung mit Parallelen zur Paranoia der Gegenwart bleibt man letztlich doch etwas verstört und ratlos zurück, was aber vom Regisseur durchaus beabsichtigt ist. Der beste Friedkin seit Jahren.

The Departed [USA 2006, Martin Scorsese] (8/10) Nicholson spielt seinen sinistren Part als Komödie und bringt dem raffiniert erzählten und versiert geschnittenem Film unvergeßliche Momente. Handwerklich gut gemachtes und gut gespieltes Kino mit faustischen Zügen. Er hat mir wesentlich besser gefallen als das chinesische Original.

Paprika [J 2006, Satoshi Kon] (7/10) Paprika ist für japanische Verhältnisse ungewöhnlich überdreht und westlich, aber beeindruckt zugleich durch die Fülle an Einfällen, denen man durch eine durchweg wunderbare, an die Gibli-Filme erinnernde gute Animation über weite Strecken willig folgt. Doch je länger der Film andauert fragt man sich , wieso so vieles angerissen und nicht zuende gedacht wird. Und das überdrehte, unglaubhafte und alles in Frage stellende Ende ist dann doch etwas zuviel des Guten. Was bleibt ist ein Hort der Kreativität, dem eine klare Richtung gut getan hätte.

La rupture/Der Riß [F 1970, Claude Chabrol] (8/10) Für mich als Chabrol-Jünger war dieser Film eindeutig die Entdeckung des Jahres. Seine gerne zitierte Kritik an der Macht des Geldes und der dekadenten Bourgeoisie hat er nirgends schärfer durchdekliniert als hier. Vielleicht kommt es ihm auch entgegen, daß er hier entgegen dem sonstigen Realismus ein waschechtes Melodram gedreht hat. Gute und böse Charaktere sind klar getrennt, der Bösewicht und seine nymphomanische Freundin sind fast schon Karikaturen, Klatschweiber werden zu Schicksalsgöttinen. Dennoch ist alles auf eine seltsame Weise stimmig und es wird gezeigt, daß in einem Sumpf der Verlogenheit die Tugend zu einer Waffe werden kann.

Roman de Gare [F 2007, Claude Lelouch] (9/10) Nach den vielen Mißerfolgen der letzten Jahre kehrt Lelouch wieder zu Leichtigkeit und Erfindungsreichtum zurück, der ihn in den 60ern über Nacht zum Starregisseur machte. Mit der Vielzahl falscher Identitäten, falscher Spuren und Wendungen wird der Zuschauer selbst zum Akteur und erlebt ein Potpourri aus allen Themen der vergangenen Filme und führt sie zur Synthese.

Les Chansons d'Amour [F 2007, Christophe Honoré] (7/10) Chistophe Honoré, der das schnelle Drehen für sich zum Prinzip erhoben hat, inszeniert hier nach dem hochgelobten "Dans Paris" erneut einen Film mit unverkennbaren "Nouvelle Vague"-Zitaten: der Vorspann erinnert an Godard, er filmt die Straßen wie Truffaut und Louis Garrel ist mit seinem unvorhersehbaren Spiel der Jean-Pierre Léaud des 21. Jahrhunderts. Daneben ist der Film auch ein Musical, es wird viel gesungen und die Musik ist ein wahres Wunder an Schönheit. Was mir den Film dennoch etwas versalzen hat war die stellenweise unglaubwürdige Handlung, in der die Hauptdarsteller nach dem plötzlichen Unfalltod seiner überaus liebreizenden Freundin ohne weiteres homosexuell wird. Das ist zwar immer noch schön inszeniert, schadet aber eher dem sonst unbedingt sehenswerten Film.

Edward Scissorhands [USA 1990, Tim Burton] (9/10) Ich hatte schon viel davon gehört und wollte mich dem Film nun stellen. Ich wurde nicht enttäuscht: Tim Burton gelingt mit ungeheurem visuellen Stilwillen und Kreativität ein mordernes Märchen, daß wie eine Mischung aus Douglas Sirk und Tod Brownings "Freaks" anmutet. Eine märchenhafte Parallelwelt, die man restlos zu glauben bereit ist. Das Verblüffendste ist hier, daß wie schon in Charlie und die Schokoladenfabrik die Familie und die Polizei hier die Vorbilder sind, die Halt geben und daß der Film trotz der düsteren Handlung auch für Kinder geeignet ist.

The Bride Came C.O.D./Die Braut kam per Nachnahme [USA 1941, William Keighley] (6/10) Eine typische stellenweise sehr unterhaltsame Komödie der damaligen Zeit, die mit netten Dialogen, einer aufwändigen Produktion und den beiden damaligen Superstars Bette Davis und James Cagney aufwarten kann. Einige Szenen, wie in der Miene, sind gar überdurchschnittlich.

L'Appât/Der Lockvogel [F 1995, Bertrand Tavernier] (8/10) Obwohl der Film 1995 spielt, hätte er thematisch auch in den 60ern angesiedelt sein können. Damals drehte Claude Lelouch ein verblüffend ähnlichen Film ("Une Fille et des Fusils") über eine Gruppe von Jugendlichen, die durch ihre Kinobegeisterung zu Gangstern wurden, ohne die Folgen zu bedenken. Damals verbot der Produzent jedoch ein ähnliche konsequentes Ende, was hier im Film von Tavernier wunderbar abschließt. Eine der großen Überraschungen des Januars und einer der besten Filme die ich kenne.

Hasards ou coïncidences [F 1998, Claude Lelouch] (6/10) Eine Frau verliert durch einen tragischen Schiffsunfall Mann und Kind und begiebt sich auf der ganzen Welt Spurensuche zu sich selbst, während sich die Schicksale überschneiden. Ein sehr persönlicher Film, der am Anfang visuell das ungeheure Glück ausdrückt, daß die Familie erlebt um im zweiten Teil eher den inneren Schmerz erfahrbar zu machen. Der Kniff, daß die Frau die Geschehnisse durch Kameraerlebnisse erfährt ist so neu nicht, wenn auch wirksam. Lelouch selbst hat viele Male auch den Tod von Personen gefilmt: erst den seines Vaters und dann den des Schauspielers Ticky Holgado. Die immer wieder auftauchenden Szenen mit den Eisbären erinnern mich sehr an Resnais "Mein Onkel aus Amerika", wo das Verhalten von Hamstern mit dem von Menschen verglichen wird.

Ostrov/Die Insel [RU 2006, Pavel Lungin] (9/10) Ein wunderbarer Film um Schuld und Vergebung, über das religiöse Rußland und über die Frage, wie viel weltliche Güter wir eigentlich zum Glücklichsein brauchen. Ähnlich wie die Romane Dostojewskis besticht der Film trotz allen Elends stellenweise durch viel typisch russischen Humor und bringt nicht wenige Parallelen zur heutigen russischen Gesellschaft hervor. Die Kargheit der Landschaft, die auch wunderbar das Innenleben der Protagonisten widerspiegelt erinnert mich irgendwie an die in Bergmans "Licht im Winter". Eine der ganz großen Entdeckungen für mich.

Bratya Karamazovy/Die Brüder Karamasow [UdSSR 1969, Iwan Pyrjew] 7/10 Eine ordentliche Romanverfilmung, die jedoch auf entscheidende religiöse Fragen wie etwa des Großinquisitorteils verzichtet bzw. verkürzt. Trotzdem ein schöner Film, unendlich besser als die Hollywoodverfilmung mit Maria Schell und William Shatner.

Hakuchi/Der Idiot [J 1951, Akira Kurosawa] 7/10 Obwohl es ein guter und gut gespielter Kurosawa ist, wirkt die Versetzung des russischen Dostojewski-Stoffes ins Nachkriegsjapan irgendwie fehl am Platz und auch die hohe Laufzeit tut ihr übriges.

Le Notti bianche/Weiße Nächte [I 1957, Luchino Visconti] 8/10 Das Dostojewski-Buch gilt ja schon als schönste Liebesgeschichte überhaupt und dem Film von Visconti gelingt es geschickt, den Stoff ins neorealistische Cinecittà-Italien zu transportieren. In jeder Hinsicht wunderbar.

Machorka-Muff [D 1963, Jean-Marie Straub & Danièle Huillet] 6/10 Bölls Erzählung "Hauptstädtisches Journal" à la Straub, welcher die Remilitarisierung der BRD nach dem zweiten Weltkrieg aufgreift. In jeder Hinsicht ungewöhnlich.

Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt wo Gewalt herrscht [D 1965, Jean-Marie Straub] 8/10 Hier wird wieder Böll verfilmt, diesmal "Billard um halb zehn". Böll selbst mochte diesen Film nicht, weil Straub keine Literaturverfilmung sondern ein eigenständiges Werk gedreht hatte. Der Titel "Nicht versöhnt" sollte das Motto aller späteren Straubfilme werden.

Moses und Aron [D 1975, Jean-Marie Straub & Danièle Huillet] 9/10 Die Umsetzung der gleichnamigen Schönberg-Oper ist bestechend klar und wirft wunderbare Fragen auf, inwieweit der Künstler dem Publikum entgegenkommen soll.

Klassenverhältnisse [D 1984, Jean-Marie Straub & Danièle Huillet] Der Film basiert zwar auf Kafkas unvollendeten Roman "Amerika", weil ein Film dieses Titels jedoch bereits von Griffith existiert, entschied man sich für den schärferen "Klassenverhältnisse". Dieser Titel ist ungleich treffender, denn es sind die Klassenverhältnisse, an denen der 16jährige Karl Roßmann, welcher als eine Art Parzival in Amerika ankommt, scheitert. Trotz seiner guten Absichten wird er ausgenutzt und ganz nach unten verbannt, weil er sich Konventionen widersetzt. In diesem Straubschen "Oratorium" werden Sätze aufgebrochen und Wörter freigeätzt und wie beim großen Vorbild Stroheim stehen entstehen spannungsreiche naturalistische Einstellungen. Ein beeindruckend konsequentes Werk, das den Kafka näher kommt als der narzistische Pomp Welles'scher Verfilmungen. 9/10

Faust [BRD 1960, Peter Gorski] 8/10 Obwohl die Filmische Umsetzung zu wünschen übrig läßt, ist die Inszenierung und die Darstellung des Mephisto durch einen der größten deutschen Schauspieler unübertroffen und packend.

Juno [USA, 2007, Jason Reitman] 6/10 Bei all dem schicken Napoleon-Dynamite-Charme, dem Wortwitz von Thank-You-For-Smoking und der wirklich großartigen Hauptdarstellerin läßt mich die unterschwellige Aussage des Films, nämlich die Unmöglichkeit von menschlichen Beziehungen erschaudern.

Effi Briest [DDR 1970, Wolfgang Luderer] 1/10 Dämlicher, propagandistischer Müll, der wirklich nur von phantasielosen Ex-DDR-Lehrerinnen goutiert werden kann. Selbst die so angespriesene Domröse wirkt sperrig. Kein Vergleich zur Gründgens-Verfilmung von 1939 mit dem Titel "Der Schritt vom Wege", wo alles besser gemacht und einer der besten Filme der 30er abgeliefert wurde.

Before the Devil Knows You're Dead [USA 2007, Sidney Lumet] 6,5/10 Obwohl der Film kunstvoll verschachtelt aufgebaut ist und die Schauspielleistungen hervorragend sind, ist mir hier zuviel Melodramatik enthalten und eingentlich nicht viel Substanz, die haften bleibt. Dennoch ein schicker Film.

Be Kind Rewind [USA 2008, Michel Gondry] 5/10 Was ist denn das? Nach den beiden hervorragenden Vorgängern, so liebevoll und kreativ, kommt hier eine waschechte amerikanische Komödie, die sich nicht konzentrieren kann, was sie eigentlich sagen will. Gondrys Einfälle sind zwar immer noch originell, aber die Handlung entbehrt jeder Poesie oder Subtilität. Und Jack Black nervt furchtbar. Am Ende gibt es dann noch eine Cinema-Paradiso-Hommage mit großen Gefühlen... Naja, wer's braucht. Monsieur Gondry, das war diesmal nichts.

Le Scaphandre et le papillon [F 2007, Julian Schnabel] 8/10 Was für ein schöner Film! Abgesehen von einigen Kleinigkeiten wie dem unnötigen Zeigen des Zunähens des Auges bekommt man hier einen herrlich photographierten, poetischen Film über eine fürchterliche Krankheit geliefert, der die sentimentalen Klippen geschickt umschifft. Ich wußte gar nicht, das Spielbergs Kameramann so gute Bilder zustande bekommt.

The Champagne Murders/Le scandale [F 1967, Claude Chabrol] Ein netter Film aus Chabrols Übergangszeit. Er ist noch stark an Hitchcock angelehnt, am Ende des Films wird das Gesehene immermehr in Frage gestellt und sich genretypischen Happy-Ends konsequent verweigert, was den Film angesichts 300 Millionen Francs Produktionskosten zum größten Flop in Chabrols Filmographie hat werden lassen. Für den Kenner ist es dennoch ein schöner Film, zumal Kochmedia hier mit der weltweiten Erstveröffentlichung auch den besten Bildtransfer aller Chabrol-Filme auf DVD vorlegt. 6/10

Cassandra's Dream [USA 2007, Woody Allen] Trotz der fehlbesetzt wirkenden Protagonisten schafft Allen hier ein wunderbares, persönliches Tableau über Lüge, Glauben und Konsum, ohne in bekannte Muster zu verfallen. Das alles konstruiert wirkt und die hat mich bei der Schärfe der Aussage nicht gestört. Ich finde es nach wie vor bemerkenswert, dass Allen nach wie vor Jahr für Jahr so etwas schafft. (8/10)

Jesus Christus Erlöser [D 2008, Peter Geyer] Kinskis Überlegungen zur Bibel und seine Umsetzung sind faszinierend. Das Publikum will davon jedoch nichts wissen und wünscht eher Kinski-Stereotypen, weshalb es ihn permanent provoziert. (8/10 für das Bühnenprogramm)

21 [USA 2008, Robert Luketic] Obwohl tolle Schauspieler hier ihr bestes geben und einzelne Szenen durchaus funktionieren, ist dieser Mix aus Ocean's Eleven und Good Will Hunting doch zu sehr an der Romanvorlage haften geblieben und kann als Ganzes nicht überzeugen und hinterlässt mit seiner indifferenten Schlußszene einen fauligen Nachgeschmack. Moralisch ist es der völlige Gegenentwurf zu Allens Film. (4/10)

Det Sjunde inseglet [S 1957, Ingmar Bergman], Blu-Ray. Bergmann gilt ja als der große Zweifler und Psychologe des Kinos. Im Gegensatz zu seinen späteren Werke keimt hier am Schluss jedoch Hoffnung, und obwohl die Hauptfigur hier nichts Göttliches erkennen kann, ist der Film doch voll davon. Ein sehr guter, wichtiger Film, der auch filmisch überzeugt und der noch lange zum Nachdenken anregt. (8/10)

Le corniaud/Louis, das Schlitzohr [F 1965, Gérard Oury] Ohne viele Worte: komödiantische Perfektion in Reinform. Zurecht gelten die Filme, die De Funès mit Gérard Oury gedreht aht als seine besten. Es ist schön, dass er nun auch in Deutschland auf DVD zu sehen ist. (8/10)

Comizi d'amore/Gastmahl der Liebe [I 1965, Pier Paolo Pasolini] Pasolinis Interviewfilm über den sittlich-moralischen Zustand einer Nation ist auch heute noch erschütternd. Besonders intensiv war die Szene, wo ein Mann sagte, dass es völlig normal sei, seine Frau lieber umzubringen als sich von ihr scheiden zu lassen. Hervorragend! (8/10)

Paranoid Park [USA 2007, Gus Van Sant] Van Sants bester Film seit langem. Die Verbrechen und Strafe-ähnliche Geschichte à la Dostojewski ist da nur der Aufhänger. Ganz groß! (8/10)

Small Time Crooks [USA 2000, Woody Allen] Treffsicher komödiantisch verpackt erzählt Allen hier die Geschichte zweier neureicher Proleten, die an unüberbrückbaren Klassenunterschieden, ihrem eigenen Unwissen und dem Madame-Bovary-Komplex der Frau scheitern. Eindrucksvoll! (8/10)

In This Our Life [USA 1942, John Huston] Bette Davis sieht hier mal ganz anders aus als sonst und wird überraschenderweise in dieser wunderbar geschriebenen Geschichte von Olivia de Havilland an die Wand gespielt. Auch die Rassismusthematik wird hier für damalige Zeiten überdeutlich angesprochen. (7/10)

Drugstore Cowboy [USA 1989, Gus Van Sant] Ein früher, gut gespielter Gus Van Sant, den ich zumindest inhaltlich vieel besser als My Private Own Idaho finde. Vor allem, weil gezeigt wird, dass es keine Alternative zur Ehrlichkeit gibt, so schwer es auch sein mag. Eine große Überraschung! (7/10)

Les parapluies de Cherbourg []F 1964, Jacques Demy] Ein ganz wunderbarer Film. Zum einen, weil er es wagt, den Algerienkrieg hier zu verarbeiten, dem dann ein Draußen vor der Tür à la Borchert folgt. Zum anderen, weil die Schauspieler hier wie später bei Resnais singen, ohne dabei wie in einem Musical zu wirken. Es ist ein Film, bei dem Godards Worte, nämlich dass Kino die Sicht einer Generation auf ihre Welt sei, voll zutreffen. Das Ende ist dann so konsequent wie bitter, aber niemals verlogen oder schwülstig, wie etwa später beim Director's Cut von Cinema Paradiso. Jede Einstellung ist da präzise gewählt. Dass auch die Schauspieler ganz groß sind, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Vor allem die Deneuve hat mich hier überrascht. (seltene 9/10)

La roue [F 1923, Abel Gance] Eine wahrlich gigantische filmische Charkterstudie um Eifersucht und Schuld, irgendwo zwischen Zola und Renoir angesiedelt, bei der Gance mit seinem technischen Einfallsreichtum das Kino unaufhörlich bis an seine Grenzen treibt. Ein Meisterwerk! (9/10)

Vampyr — Der Traum des Allan Grey [D 1932, Carl Theodor Dreyer] Der irre Augenaufschlag von Sibylle Schmitz, die Sfumato-artigen Landschaften, die suggestive und verstörende Handlung mit dem Gefühl der Orientierungslosigkeit und Dreyers handwerklicher Perfektion lassen mich den (Alp-)Traum von Allan Gray träumen. (8/10)

The thief of Bagdad [GB 1940, Ludwig Berger, Michael Powell, Tim Whelan] Ein fliegender Teppich, Flaschengeister, Bösewichter ein kleiner und ein junger Held und die besten Tricks und visuellen Einfälle seiner Zeit machen den Film auch heute noch zu einem Juwel aus tausend und einer Nacht. (8/10)

The Dark Corner [USA 1946, Henry Hathaway] Clifton Webbs eindrucksvolles Schauspiel, das gute Drehbuch und die Aufnahmen in der Stadt machen den Film trotz eines eher biederen Hauptdarstellers zu einem passablen Erlebnis. (7/10)

Cluny Brown [USA 1946, Ernst Lubitsch] Wenn Standesunterschiede zusammenprallen, dann kann das keiner so herrlich erzählen wie Lubtisch. Sicherlich nicht sein bester, die vielen komischen Einfälle bleiben aber über Wochen im Gedächtnis.

Demetrius and the Gladiators [USA 1954, Delmer Daves] Der Star des Films ist hier ganz klar Jay Robinson, der den Caligula hier schreiend und wahnsinnig spielt, dass es eine diebische Freude ist, ihm dabein zuzuschauen. Ansonsten ist das Drehbuch zwar besser als übliche Monumentalfilme, allerdings ist dieser als einer der ersten Cinemascopefilme ansonsten eher lahm inszeniert. (6/10)

Taza, Son of Cochise [USA 1954, Douglas Sirk] In Sirks einzigem Western brilliert ganz klar Rock Hudson, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass der Western nicht sein Genre ist, auch wenn die Indianerszenen erstaunlich echt wirken und mit allerlei ethnologischen Details aufwarten. Trotzdem locker 6/10 Punkten.

Le ballon rouge [F 1956, Albert Lamorisse] Nach diesem filmischen Rubin wird man fliegende Ballons mit ganz anderen Augen sehen. (8/10)

Battle Hymn [USA 1957, Douglas Sirk] Erstaunt hat mich, wie Sirk es geschafft hat, diesen wahnsinnig aufwändigen Film im Rollstuhl und on-location zu drehen. Ein riesiger Kraftakt, auch wenn der reale Dean Hess durch seine ständigen Interventionen am Set Sirks Einfallsreichtum auf Schritt und Tritt beschnitt. (6/10)

The Bible: In the Beginning... [USA 1966, John Huston] Allein schon wegen der Szene, in der der bekennende Tierfreund Huston die Tiere in die Arche führt ist der Film sehenswert, ich habe mich gut unterhalten. (7/10)

Emmanuelle [USA 1974, Just Jaeckin] Verblödender Film-Müll, der bedeutungsschwer daherkommt aber unter einer schönen Oberfläche nur heiße Luft enthält, dass es nur unerträglich ist. Einzig die Titelmelodie ist sehr gelungen. (1/10)

The Island [USA 1980, Michael Ritchie] Und wieder einer dieser Film, wo man beim Ansehen glaubt, dass in den Siebzigern irgendwie alles möglich gewesen ist. Der Film sprüht vor sarkastischen, zynischen und brilllanten Dialogen und skurrilen Einfällen, dass man bis zum grandios konsequenten und ausführlichen Finale aus dem Stauen nicht mehr rauskommt. (7/10)

Jacquot de Nantes [F 1991, Agnes Varda] Agnes Varda illustriert und rekonstruiert hier filmisch die Erinnerungen ihres zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits kranken Ehemannes Jacques Demy. Das ist alles so geschickt fotografiert, dass es wie real wirkt. Allein die Montage der filmischen Liebeserklärung ist etwas konventionell. (7/10)

Combien tu m'aimes [F 2005, Bertrand Blier] Ein irrer Film über die Auswirkungen des Geldes, bei dem Realität und Traum irgendwann nicht mehr auseinanderzuhalten sind und bei dem man nicht den Fehler begehen darf, ihn ernstzunehmen. Ansonsten großes Schauspiel und große ... (Monica Bellucci) Wink (5/10)

Sieben Sommersprossen [DDR 1978, Herrmann Zschoche] Zwei Jugendliche verlieben sich in einem Ferienlager und nehmen an der Inszenierung von Romeo und Julia teil. Zschoche inszeniert die Gefühle und Ansichten der jungen Leute so echt und realistisch und trotzdem so unterhaltsam, dass sich viele heutige Filme mehrere Scheiben abschneiden können. (7/10)

Zwei schräge Vögel [DDR 1989, Erwin Stranka] Die letzte Realsatiere der DDR ist ein herrlich unterhaltsamer Film geworden. Dass hier zwei Informatikstudenten in die Provinz versetzt werden, erinnert etwas an den derzeitigen französischen Erfolgsfilm Willkommen bei den Cht'is, ist aber in den Details besser. [7/10]

Sommer vorm Balkon [BRD 2005, Andreas Dresen] Dresdens Film ist sicher beim ersten Sehen sehr schön, bei der zweiten Sichtung aber nimmt die Wirkung drastisch ab. Was bleibt ist das wunderbare Drehbuch von Wolfgang Kohlhase und ein paar gelungene Szenen. [7/10]

All The Boys Love Mandy Lane [USA 2006, Jonathan Levine] Der Film zeigt, wie es sein kann wenn eine banale Teenagerin glaubt, über den Banalitäten zu stehen. Herauskommt ein banaler Film im TCM-Look. Für eine Sichtung dennoch zu ertragen. [4/10]

Funny Games U.S. [USA 2007 Michael Haneke] Ähm, ich muss sagen, dass ich das Original noch nicht gesehen habe, weshalb ich hier nicht ganz objektiv bin. Es wurde ja überall geschrieben, dass der Film keine Wirkung bei jugendlichen Mainstreamguckern haben solle. Nun, ich habe bewußt solche ins Kino geschleppt und die waren hinterher alle sehr nachdenklich geworden und haben interessante Fragen gestellt. Unterm Strich haben sie so reagiert, wie Haneke es sich gewünscht hat — nämlich dass der Zuschauer selbst tätig wird. Mir hat der Film sehr sehr gut gefallen, und wenn er es darüber hinaus noch schafft, bei einer arthousefernen Zielgruppe solche Wirkungen zu erzielen, kann man ihn nicht hoch genug loben. [8/10]

The Dark Knight [USA 2008, Christopher Nolan] Ein Film mit vielen Handlungslöchern, einem blutleeren Batman und einem Drehbuch, wo weniger mehr gewesen wäre. Da hat man nun schon so geniale Schauspieler wie Heath Ledger oder Michael Caine und dann eröffnet man solche unseligen Handlungsstränge wie den mit dem furchtbar-unglaubwürdigen Twoface und läßt alles vorher in der Luft hängen, statt auf die Jokerhandlung zu vertrauen. Ledger hat eine unglaubliche Präsenz, aber sehr einfallsreich ist sein "Why so serious" und sein ewiges Messerspiel dann doch nicht. Filmisch ist er wesentlich besser als der verworrene und unsäglich schlechte erste Teil, krankt dafür aber an einem unsauber strukturierten Drehbuch. [6/10]

Der Mond und andere Liebhaber [BRD 2008, Bernd Böhlich] Tolle Schauspieler, aber lächerliche Computereffekte und Szenen ohne Zusammenhang, die im Verlauf des Films immer schlimmer werden. [5/10]

Le silence de Lorna [Belgien 2008, Jean-Luc & Pierre Dardenne] Auch wenn der Film mit l'enfant nicht ganz mithalten kann, ist er dennoch meisterlich inszeniert, gespielt und hat ein wunderbar konsequentes Ende. Das Schöne bei den Filmen der beiden Brüder ist, dass sie nicht eine xbeliebige Story erzählen, sondern eine, die so täglich hundertfach geschehen kann, und wir zum Selberdenken angestoßen werden. 7-8/10

Entre les murs F 2008, Laurent Cantet] Der diesjährige Cannes-Gewinner trägt diesen Titel zurecht. Auch wenn er filmisch recht konventionell daherzukommen scheint, ist es bemerkenswert, wie Cantet hier die wichtige Frage nach Bildung anschneidet. Er zeigt einen jungen Lehrer, dem deinteressierte Jugendliche gegenüberstehen, die sich in erster Linie nur durch Äußerlichkeiten und Konsum definieren und sich mit Nichtwissen eine felsenfeste Meinung bilden. Er muss ihnen begründen, warum man Grammatik benötigt, auch wenn die Eltern zuhause nicht so sprechen. Er läßt dabei aber immer den Zuschauer entscheiden, er muß sich aus all den Informationen eine Meinung bilden, was nicht leicht ist. Es ist aber auch ein wirklich sehr unterhaltsamer Film, den man in einem großen Kino sehen muss, weil er spontan während der Projektion Applaus oder Reaktionen beim Publikum hervorruft; Lachen und Nachdenklichkeit. Große Empfehlung und viel Spaß beim Diskutieren! 8/10

The Mikado (USA 1939, Victor Schertzinger) Schöne Verfilmung in Technicolor der gleichnamigen Operette, deren Produzenten unter enormen Erfolgsdruck standen, bekamen sie doch Drohbriefe, wenn sie dem Werk untreu werden sollten. "The Mikado" war zwar noch nie meine liebste Operette von Gilbert & Sullivan, aber gelungen ist die Verfilmung trotzdem, vor allem, mit wieviel Aufwand man versucht, dem Theaterstück filmische Elemente einzupflanzen. 7/10

Easy Virtue (USA 2008, Stephan Elliott) Diese Verfilmung des Theaterstücks von Noël Coward ist gut besetzt, doch leider merkt man immer auch, dass es sich um ein Theaterstück handelt, was da mit viel Aufwand für den Film zwar aufwändig, aber doch eher konventionell inszeniert wird. Ich fands eher langweilig und den ganzen Bombast für diese eher einfachen Themen unangemessen, dann lieber das Theaterstück. 5/10

Il gatto a nove code/Die neunschwänzige Katze (I 1971 Dario Argento) Netter früher Giallo, den ich aber nicht so spannend oder stilistisch gelungen finde wie etwa die SCHWARZEN HANDSCHUHE, weil er sich auch zu sehr in die abstruse Story verstrickt. Auch die hervorragende Morriconemusik wirkt hier irgendwie nicht zum Film passend, eher wie ein Fremdkörper trotz ihrer Atonalität. Streckenweise langweilig. 6/10

The Thin Red Line (USA 1998, Terrence Malick) Malicks ausladendes Kriegsepos gefällt mir wegen der vielen ruhigen Szenen, der tollen Kameraführung und wegen der vielen medidativen Off-Kommentare. Trotzdem nicht viel Neues oder überraschendes zum Thema, ein runder, gelungener Film, der fasziniert.

The Horse Soldiers (USA 1959, John Ford) Netter Western mit John Wayne mit vielen schönen Einfällen. Am besten vielleicht die seltsame Millitärschule für Knaben und wie die dann ins Feld ziehen. Trotzdem zieht sich der Film mit seinen zwei Stunden sich überraschend lang hin für das, was er eigentlich erzählen will. 7/10

Scanners (CAN 1981, David Cronenberg) Große Überraschung, ein waschechter, früher Cronenberg, der vor allem eine unbehagliche Atmosphäre à la "Videodrome" schafft. Obwohl die Handlung natürlich völlig unsinnig ist, gelingt es Cronenberg, dass der Zuschauer von der ersten Sekunde an mitgeht und bis zum verstörenden Schluß gefesselt dran bleibt. Super! 7/10

Tenebre (I 1982, Dario Argento) Obwohl dieser Film als einer seiner Besten gilt, fand ich ihn insgesamt zwar spannend, aber nicht so einfallsreich wie seine Vorgänger. Vor allem atmosphärisch tritt dieser Film zurück und bietet nicht viel Neues. Ich habe ihn mir gerne angeschaut, und es gibt gute Stellen, vor allem die Rückblenden, muss ihn aber nicht so schnell wiedersehen. Vermutlich fehlt mir die Stilisierung seiner Vorgänger à la Profondo Rosso. 6/10

Toutes les nuits (F 2001, Eugène Green) Die Geschichte zweiner Freunde ist Greens erster, ohne kinospezifische Ausbildung gedrehter Film und von Flauberts "Education sentimentale" beeinflußt. Grandioses, einfaches Kino, dass stilistisch an Bresson, Rohmer, Truffaut, Rivette, Ozu und ein bisschen an Straub/Huillet erinnert und von der ersten Einstellung an sofort gefällt. Ich werde mir auch sein restliches Werk anschauen, dass ebenfalls wie dieser Film mit englischen Untertiteln vorliegt. Danke an Bodycounter für den Tip! 9/10

Seide (CAN/F/I/UK/J 2007, François Girard) Das Hauptproblem bei diesem Film ist, dass die Regie nicht so richtig weiß, was sie wann zeigen soll, es gibt endlose Ritte durch die Landschaft und dann wieder schnelle Sprünge. Die ansonsten eigentlich guten Darsteller, u.a. Michael Pitt spielen hier ohne Ausdruck, sagen ihre langweiligen Dialoge und wirken etwas hilflos in all den schönen Bildern und den aufwändigen Sets. Konventionelle Liebesschnulze mit schönen Bildern, weit hergeholter Handlung und einschläfernder Langsamkeit wie ein Trivialroman. 5/10

Polizeiruf 110: Im Alter von... (DDR 1974, Heinz Seibert) Der Film war Jahrzente verboten und konnte nun aufwändig restauriert und rekonstruiert werden. Dieses Unterfangen ist geglückt:mit Fritz Langs Überfilm "M" kann er zwar nicht konkurrieren, aber sonst ist dieser ruhige Fernsehfilm über einen Kinderschänder gelungen und macht eigentlich nichts falsch, den seltsamen, abrupten Schluß schreibe ich mal den abgebrochenen Dreharbeiten zu. Hat mir gefallen, vor allem lustig, wie professionell die Volkspolizei dargestellt wird. 7/10.

Mary and Max (Australien 2009, Adam Elliot) Amélie trifft Tim Burton könnte man sagen, und dass der Regisseur seine Charaktere verachtet, aber das stimmt nur auf den ersten Blick. Schaut man genauer hin, ist dem Regisseur hier ein ganz außergewöhnliches und eigenständiges filmisches Knetwunderwerk geglückt, das es so noch nicht gegeben hat. Der Film hat mich 50% zum Lachen gebracht und 50% verstört. Nicht schlecht. (8/10)

The Ten Commandments (USA 1956, Cecil B. DeMille) Ganz früher konnte ich mit diesem Film wenig anfangen, weil er mir im TV zu statisch und altbacken vorkam und ich hatte immer Nick Rays KING OF KINGS vorgezogen. Beim diesmaligen Sichten der Blu-Ray auf großer Leinwand kam aber die ganze superschafe Vistavision-Brillianz zum tragen: der Film ist ein wahres Fest für die Augen, hat ein tolles Drehbuch, und ist von vorn bis hinten die fast 3 Stunden lang enorm unterhaltsam. Ein bis zwei Hänger hat der Film zwar in der Mitte, was daran lag, dass De Mille mittendrin einen Herzinfarkt bekam und seine Tochter ein paar Drehtage die Regie übernahm. Überwältigend! (8/10)

An American Rhapsody (USA 2001, Éva Gárdos) Diese "wahre Geschichte" mag zwar irgendwie wahr sein (Familie flüchtet vor Kommunismus in die USA, bis das erwachsene Kind - Scarlett Johannson - den Drang zur Heimat spürt und wieder zurückwill.), ist auch in der Art und Weise, wie die gegensätzlichen Systeme gefilmt werden gelungen, kann aber das platte Drehbuch mit seinen fernsehgerechten Dialogen nicht verschmerzen. Alles läuft wie erwartet und überraschungsfrei und ist größtenteils auch noch schlecht gespielt. Ein Lelouch für Arme, fürs ZDF reichts. Bähh. 4/10

Kolja (CZ 1996, Jan Sverák) Irgendwie kann ich das Gefühl nicht loswerden, hier wollte jemand thematisch Angelopoulos kopieren (hat aber nicht geklappt), und auch wenn der Film nicht ganz schlecht ist, so muss man sich doch sehr zusammenreißen, um den Film ohne Balzacsche Kaffeedosen wach durchzustehen. Ich kann mich jedenfalls an nichts außergewöhnliches mehr erinnern. Durchgefallen! (5/10)

White Material (F 2009, Claire Denis) Eine Kaffeebauerin wird vertrieben, nachdem die Schwarzen rebellieren, wiedersetzt sich aber. Erstmal ist die Huppert ganz große Kaffeesahne, ich ziehe meinen Hut vor dem schauspielerischen Können dieser Frau. Die Handlung beschreiben kann man nicht ohne weiteres, ich war zumindest seltsam gelockt, geschockt und gefesselt. Ein Film, den man unbedingt sehen sollte, aber den ich nicht unbedingt immer wieder sehen muss. (7/10)

Blow out (USA 1981, Brian De Palma) Der Film ist eine Bombe, sicherlich der rundeste De-Palma-Film und die Entdeckung des Monats. Ein super Thriller mit tollen Schauspielern und filmtechnischen Raffinessen: kurzum ein Festessen für den cinephilen Gourmand. Spitzenfilm! Mein Held war die Eule! (9/10)

Eraserhead (USA, 1977, David Lynch) Räusper ja, ich habe den tatsächlich zum ersten Mal gesehen. Super, vor allem wenn man Lynch restliches filmisches Schaffen bis zum Überfilm INLAND EMPIRE kennt und sieht, wie alles hier schon irgendwie drin angelegt war. The one that startet it all. Enorm inspirierend. (9/10)

The Elephant Man (USA, 1980, David Lynch) Kommt da schon etwas behäbiger und geerdeter daher als der LSD-Trip ERASERHEAD zuvor. Nichtsdestotrotz hervorragend realisiert, ein perfekter Film, bei dem ich mir höchstens etwas weniger Sentimentalitäten gewünscht hätte, aber OK, ohne scheints nicht zu funktionieren. Eigentlich irgendwie ein Disneyfilm, wie Pinocchio auf erwachsen Wink (8/10)

The Girl next door (USA 2004, Luke Greenfield) Netter Spaß, den man nicht erst nehmen kann, der aber irgendwie funktioniert. Das beste ist sicherlich der originale, uralte amerikanische Aufklärungsfilm im Bonusmaterial, der schon allein sein Geld wert ist. (6/10)

The Good Girl (USA 2002, Miguel Arteta) Jake Gyllenhaal spielt hier auf exakt die gleiche benebelte Weise wie im grandiosen DONNIE DARKO, der Film selbst weiß aber nicht so recht, was er eigentlich erzählen will, vor allem die Hauptdarstellerin Jennifer Aniston wirkt hier in diesem Beziehungsdrama ziemlich hilflos. Man schaue sich da lieber thematisch ähnliche Filme wie LITTLE CHILDREN an, die künstlerisch recht gelungen sind, während man hier über das Erzählen einer Problemstory hinaus nicht hinauskommt. 5/10

The Story of Ruth (USA 1960 Henry Koster) Willkommen bei der historisch ungenausten Bibelverfilmung ever! Ich habe nach Sehen des Films mal nachgeschlagen und glatt den ganzen ersten Teil des Films im Buch Ruth nicht finden können, der Rest wurde auch nach Belieben verbogen, dass man besser nicht nachforschen sollte. Aber egal: Der Film hat mich glatt aus den Socken gehauen, denn er ist von vorn bis hinten richtig gelungen: tolle Bauten (vorallem im Lande Moab die Szene am Fluß!), eine spannende Story und diesmal reihenweise bildschöne Frauen! Da fällt der Glaube leicht Wink . Die Emigrantenstory und das Mobbing ist auch sehr schön, und leider heute noch ziemlich aktuell, vermutlich ist sie auch deshalb so gut umgesetzt, weil der Regisseur selbst ein deutscher Regisseur ist, der in die USA flüchten musste. (8/10)

Sweetie (Australien 1989, Jane Campion) Verglichen mit dem süffigen PIANO ein erfrischender, irrer Film, der ständig seine Richtung wechselt und einen ziemlich zerstört und traurig zurückläßt. Super inszeniert, aber auch furchtbar belastend und ich bin mir ehrlich gesagt auch unschlüssig, ob ich mir da alles anschauen muss was die Campion mir da an Abartigkeiten auftischt. Aber egal, die Schlussszene allein mit dem kleinen Mädchen ist genial und überschreibt alle anderen Erinnerungen des Films. Schon allein deshalb lohnt sich der Film. (7/10)

All the President's Men (USA 1976, Alan J. Pakula) Der Watergate-Einbruch hat sich wenigstens deshalb gelohnt, weil er diesen Film gebohren hat. Ein Meisterwerk über Journalismus, und ein toller New-Hollywood-Film, der ganz leise, dunkel und fesselnd ist. (8/10)

Billy Wilder speaks (USA 1992, Volker Schlöndorff) Billy Wilder spricht mit Schlöndorf 1988 zwei Wochen lang auf deutsch und Englisch über sein Leben und seine Filme auf Augenhöhe unter der Voraussetzung, dass der Film erst nach seinem Tod veröffentlicht wird. Sehr unterhaltsam mit vielen Details, aber irgendwie hatte ich mir mehr erwartet. Immerhin: Wilder wackelnd auf dem Drehstuhl und mit Rückenkratzer ist schon allein komisch. Überraschend auch, dass er wie Rohmer im hohen Alter noch diese enorme Jugendlichkeit wie ein Mann um die Zwanzig besitzt. Sehr empfehlenswert! (7/10)

La morte vivante (DVD, F 1982, Jean Rollin) Eine ganz andere Zombiegeschichte, zwar mit aufgesetzten Schockeffekten, dafür aber stimmt der Rest. Da fällt mir ein: es müsste mal jemand etwas schreiben über die Rolle der Architektur in Rollins Filmen, denn die spielt immer mit. 6/10

Le Masque de la Méduse (DVD, F 2010, Jean Rollin) Sein endgültig letzter, irritierender Film hat wieder wunderbar poetische, sureale Szenen, und teilweise sogar gute Schauspieler. Ein guter Abschluß seines Oeuvres. 6/10

The Black Pirate (BR, USA 1926, Albert Parker) Okaye Story, Massenszenen wie bei Griffith und das Gefühl, irgendwie wirklich dabei zu sein, so echt wirken Kostüme, Menschengewühl und die malerischen Landschaften. 7/10

Histoires extraordinaires (BR, I,F 1968 Vadim, Malle, Fellini) Episodenfilm, bei dem die Vadim-Episode romantisch verzaubert, Malle sureal verstört und Fellini puren Horror inszeniert. Ein Film, der mich wochenlang gejagt hat. 7/10

Ewigkeit und ein Tag/Mia aioniotita kai mia mera (DVD, G,F,I,D Theodoros Angelopoulos) Am schönsten ist es vermutlich, wie für einen kurzen Moment die Zeit in diesen schönen Bildern stehen bleibt und es mühelos möglich ist, durch selbige zu wandern. Muss ich unbedingt nochmals sehen. 8/10

Cézanne (DVD, F 1990, Straub/Huillet) Cezannes Gespräch mit Gasquet entpuppt sich als äußerst aufschlussreich und sagt auch viel aus über die Filmemacher selbst. Cézanne malt wie die Straubs filmen. Und dass sie den Mut haben, wenn Cézanne über die alte Magd der Landwirtschaftsausstellung bei Flaubert spricht auch noch den betreffenden Abschnitt aus Renoirs Mme Bovary im Block abzuspielen und dann auch noch den Zusammenhang zu respektieren, hebt den Film für mich auf eine ganz hohe Stufe, wie man es machen sollte. Dass der Film letzendlich der ihn in auftraggebenden Museumschefin nicht gefallen hat, ist den Machern glücklicherweise egal. Meisterlich in der Form. 8/10

Dites-moi quelque chose (DVD, F 2010, Philippe Lafosse) Straub, gefilmt in den letzten drei Jahren von Standpunkt des Zuschauers während seiner Debatten mit dem Publikum. Man ist erschüttert von Zorn, gepeinigt von der physischen Präsenz dieses Regie-Ungeheuers. Dann aber auch von seiner aufblitzenden Sanftmut und den tiefen, kompromisslos-radikalen Überlegungen übers Filmemachen. Etwas dilletantisch gefilmt und körperlich sehr schmerzhaft anzuschauen, weil Straub nicht auszuhalten ist. Wehe, wenn er losgelassen. Ich glaube, hier fehlt Huillet, die ihn früher immer wieder sanft gebremst oder korrigiert hat. 8/10

The Sound of Music (BR, USA 1965, Robert Wise) Wenn man mal die Tatsache außen vor läßt, dass es sich hierbei um astreine Gehirnwäsche handelt und man anschließend mindestens drei Lieder immer wieder mitsingen kann, sondern sich ganz und gar der perfekten Inszenierung in ihrer technischen Brillanz ergibt, dann merkt man ganz schnell, was für ein Spitzenfilm das hier ist und wie sehr die anderen Rodgers & Hammerstein-Musicals dagegen abstinken. Wise war ein Könner! 8/10

South Pacific (BR, USA 1958, Joshua Logan) Visuelle Oppulenz in Vistavision, so dass die Insulaner besonders bunt und knackig daherkommen, die Story etwas überrascht und die Musik rockt, aber dennoch eine Bestätigung für meine obige These, dass Wise es besser kann. Hier ist die Inszenierung und Choreographie weitgehend statisch und ziemlich langweilig und altbacken. 6/10

Blutige Seide/Sei donne per l'assassino (DVD, I 1964, Mario Bava) Egal wie langweilig die Story ist, aber so muss man inszenieren, wenn man Atmosphäre schaffen will. Ein Fest für die Augen! 7/10 Toller AK aber vom Herrn Kessler, der den Film genießt wie einen alten Champagner.

Love in the Afternoon (DVD, USA 1957, Billy Wilder) Überraschend gelungener Wilder-Film, ein großer Spaß und sicher jetzt einer meiner Wilder-Lieblingsfilme. 7/10

Profondo rosso (BR, I 1975, Dario Argento) DER Film des Monats, ein künstlerisch herausragender Film. Die Farben, die Stimmungen, die Architektur, die Kraft der Bilder, der Bücher, die Goblin-Musik, Regiekunst auf höchstem Niveau und so spannend, dass ich mich danach eine zeitlang nicht mehr getraut habe, den Weg durch die dunklen Zimmer zum Lichtschalter zurückzulegen. Sprachlos vor soviel Schönheit. 9/10

Rain Man (TV, USA 1988, Barry Levinson) Außer Hoffmann kann in diesem Film niemand spielen, und der Kameramann ist auch eher ideenlos. Hätte sich mehr John-Ford-Filme anschauen sollen um zu lernen, wie man die amerikanische Natur filmt. Die Geschichte ist unterhaltsam, trotzdem fühlte ich mich als Zuschauer nicht ernst genommen und die Autistenhandlung ist auch nur vorgeschoben. 4/10

Ansonsten habe ich eine Menge Ozus zum ersten Mal gesehen. Beeindruckt hat mich grundsätzlich die Ruhe in seinen Filmen und der Wind in seinen Bildern. Inhaltlich scheinen Jane-Austen-Probleme (Wie verheirate ich meine Töchter) auf der Tagesordnung zu stehen, aber wie ein roter Faden durchzieht der Wandel in der japanischen Gesellschaft sein Werk (Wieviel Moderne braucht der Mensch), wie bei Fassbinder nehmen nach dem Krieg die Frauen die Geschicke in die Hand. Ozu ist überhaupt ein ausgezeichneter Frauen- und Familienregisseur, was verwundert für jemanden, der sein ganzes Leben wie Balzac eher mutterfixiert war. Vielleicht hat er aber wie eben jene Jane Austen immer nur messerscharf beobachtet, ohne alles selbst durchlebt zu haben. So richtig schlimm und überraschend sind aber die Kinder in seinem Werk: allesamt nervige Kaufmir-kaufmir-kaufmir-Plagen, die immer nur nehmen wollen (Fernseher, Eisenbahnschienen...) aber kaum etwas dafür tun wollen und wenn sie es nicht bekommen, in den Streik (Hunger-, Redestreik) treten oder sich von Pferden zertrampeln lassen. Vielleicht sind die Kinder für Ozu ja die Symbole für kommende Zeiten, die er aufdräuen sah.

Guten Morgen/Ohayô (BR, J 1959, Ozu) Schon allein wegen dem Kind, das sagt: "I love you" lohnt sich der Film. 8/10

Brüder und Schwestern der Familie Toda/Todake no kyodai (DVD, J 1941 Ozu) nicht gut, nicht schlecht, einfach langweilig. 5-6/10

Die Reise nach Tokyo/Tôkyô monogatari (BR, J 1953 Ozu) Wunderbar poetischer Film, toll geschnitten und überragend gespielt. Erinnerte mich sehr an "Make way for tomorrow". 8/10

Ich wurde geboren, aber/Otona no miru ehon - Umarete wa mita keredo (DVD, J 1932) Sperlingseier machen Haarausfall, lernen wir hier. Ansonsten toll, mein liebster Ozu bislang. 8/10

Der einzige Sohn/Hitori musuko (BR, J 1936 Ozu) Es dauert 54 Minuten, bis die Bombe platzt und die Mutter ihren Sohn beschuldigt, nicht mehr aus seinem Leben gemacht zu haben. Mir blieb die Spucke weg. 7/10

What did the Lady forget/Shukujo wa nani o wasureta ka (DVD, J 1937 Ozu) -/10 keine Ahnung, bin mehrmals eingeschlafen

Später Frühling/Banshun (BR, J 1949 Ozu) Rundum gut, aber nichts Auffälliges hängen geblieben außer der ewig-grinsenden Setsuko Hara. Muss ich nochmal schauen. 7/10

Weizenherbst/Bakushû (BR, J 1951 Ozu) Allein schon wegen des sich im Wind bewegenden Kornfeldes am Ende unbedingt sehenswert. 7/10

Sommerblüten/Higanbana (BR, J 1958 Ozu) Ein Film über einen Vater, dem der gesellschaftliche Wandel arg mitspielt. So echt und eindringlich. Überraschend ist, dass er am Ende des Films tatsächlich Erkenntnisse gewinnt, das ist nicht selbstverständlich. Und er ist da vermutlich auch die Ausnahme. 8/10

Es war einmal ein Vater/Chichi ariki (BR, J 1942 Ozu) War mein erster Ozu, sah ihn früher mal auf Arte. Immer noch ein ruhiger, bewegender Film, den man mehrmals sehen und sich ihm ganz hingeben muss. 7/10

Im Angesicht des Verbrechens (D/A 2010, Dominik Graf) Diese Miniserie ist großartig. Süchtig verschlingt man Folge um Folge. Das ist nur möglich, weil sie sich auf ein hervorragendes, rastloses Drehbuch stützt, überraschend gute Schauspieler hat, aufwendig geschnitten und gefilmt ist, und nicht an schön ausgeführten Actionszenen spart. Kurzum: alles ist glücklicherweise anders, als man es in den letzten 20 jahren im deutschen Fernsehen gewohnt ist. Wenn Graf inszeniert interessiert nicht nur der Vorder- sondern auch der Hintergrund, es stimmt alles. Eine ähnliche Sucht habe ich bisher nur bei Twin Peaks verspürt. 8/10

Il gattopardo/Der Leopard (I, F 1963 Luchino Visconti) "Es muss sich vieles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist." sagt der Fürst in diesem Film, der das Buch voraussetzt, um die Hintergründe zu verstehen. Während Giuseppe Tomasi di Lampedusa allerdings für die alte Ordnung eintritt, ist Visconti für die Rebellen. trotzdem 8/10

Ultimo tango a Parigi/Der letzte Tango in Paris (I, F 1972 Bernardo Bertolucci) Seltsam-schöne, anziehend-abstoßende Geschichte, wie sie nur Anfang der Siebziger gemacht werden konnte. Toll gespielt, mir aber zu nihilistisch. Dennoch ein subversiver Film, der noch heute verblüfft und provoziert. Tolle Filmmusik, übrigens. 7/10

Carne trémula/Live Flesh (E 1997 Pedro Almodóvar) Obwohl als Hommage an Luis Buñuel angelegt, ist dieser Film erstaunlich leichtfüßig, macht größtenteils richtig Spaß wenn einem danach ist und eigentlich nichts falsch. Mit Almodóvars letzten beiden Filmen konnte ich mich hingegen überhaupt nicht mehr anfreunden. 6/10

Fantastic Mr. Fox/Der Fantastische Mr. Fox (USA, UK 2009 Wes Anderson) "Beagles lieben Blaubeeren!", und ich diesen Film, der mir soviel Spaß gemacht hat wie selten ein Animationsfilm. Obwohl hier ein Kinderbuch adaptiert wurde, ist dieser Puppentrickfilm Wes Anderson in Reinform. Schon allein wegen der vielen liebevollen Details und der Filmmusik aus Truffauts Amerikanischer Nacht lohnt sich der Film, aber vor allem habe ich ihn bisher dreimal gesehen, und war jedes Mal wie begeistert wie beim ersten Sehen. 9/10

Valentine's Day (USA 2010 Garry Marshall) Konventioneller Liebesfilm ohne Mätzchen mit unzähligen Stars vom Pretty-Woman-Regisseur, der nett anzuschauen ist und bei dem verblüfft, dass der Regisseur an so vielen Stars und Nebenhandlungen nicht wie andere scheitert. Heraus kommt ein überraschend funktionierender Film, der man nicht nur am Valentinstag gut und gerne mit seiner Liebsten gucken kann. Wer es jedoch ein wenig cinephiler mag, für den empfehle ich stattdessen Bergmans Klassiker "Die Zeit mit Monika". 6/10

Straub-Huillet et Pavese « Ces rencontres avec eux » (I 2005, Laura Vitali) Prinzipiell recht interessante Dokumentation über Straub/Huillets Arbeit im italienischen Kleinstädtchen Buti, mit Interviews und gefilmten Theaterproben. Ein Unding ist aber, dass die Regisseurin Landschaftsaufnahmen à la Straub versucht zu filmen, diese dann mit klebriger klassischer Musik unterlegt und sämtliche Naturgeräusche damit eliminiert. Sie hat nichts verstanden. 5/10

Micmacs à tire-larigot (F 2009, Jean-Pierre Jeunet) In Micmacs schöpft Jeunet aus dem Vollen: er hat den Einfallsreichtum und die Proustschen Assoziationen aus "Amélie", dunkle Momente aus "Delicatessen" oder aus "Die Stadt der verlorenen Kinder". Hauptdarsteller Dany Boon trägt den Film, die restlichen Schauspieler überzeugen auch. Trotzdem funktioniert der Film nicht, weil die einzelnen Elemente der ohnehin schon konfusen und unglaubwürdigen Handlung nie richtig zusammenpassen wollen. Was bleibt ist ein Sammelsurium von vielen schön umgesetzten Ideen, das aber keinen kohärenten Film ergibt. 5/10

Shan zha shu zhi lian/Love under the Hawthorn Tree (China 2010, Zhang Yimou) Dieser Film steht mehr noch als Walking alone for thousands of miles für Zhangs Rückkehr zu seinen früheren, leisen Filmen wie "Keiner Weniger" oder "Leben". Völlig sparsam erzählt vor dem Hintergrund der einer wahren Geschichte der Kulturrevolution, mit unbekannten Darstellern besetzt und ohne eine einzige Liebesszene auskommend, ist der Film eine der wirkungsvollsten Liebesgeschichten der Kinogeschichte, die selbst wenn man das nicht will, ehrlich zu Tränen rührt. 8/10

Love Story (USA 1970, Arthur Hiller) Claude Lelouch betont immer wieder, dass man ihm mehrmals angeboten habe, damals den Film "Love Story" in den USA zu drehen, er aber abgelehnt habe, da er lieber seine eigenen Autorenfilme machen wollte. Trotzdem hat es Arthur Hiller geschafft, den Film so zu filmen, wie es vielleicht Lelouch getan hätte, und dabei reüssiert. Das fällt vor allem in den Eishockeyszenen auf, aber auch in den Dialogszenen. Lelouchs Hauskomponist Francis Lai steuert ohnehin die Musik bei, einen richtig schmalzigen Gassenhauer, der am Schluß seine Wirkung nicht verfehlt. Ein runder Film, der viel besser als die fürchterliche Buchvorlage ist. 6/10

Oliver's Story (USA 1978, John Korty) Acht Jahre nach dem Riesenerfolg Love Story gedreht, macht diese unnötige Fortsetzung so ziemlich alles falsch, was möglich ist. Der Stil des Films ist genau wie der Regisseur ein völlig anderer. Die Kamera filmt statisch und uninspiriert wie in einer damaligen TV-Serie das Geschehen ab, die Geschichte ist hanebüchen und reaktionär konservativ, und die Stimmung zwischen den Darstellern ist so eisig wie eine alte Tiefkühlpizza. Ein Film, den man unbedingt vermeiden sollte, denn er zerstört alles, was den ersten ausgezeichnet hat. 2/10

Five Graves to Cairo (USA 1943, Billy Wilder) Einer der gelungensten Propagandafilme, in dem Erich von Stroheim als Rommel in jeder seiner Szenen alles an sich reißt. Franchot Tone hat dem nur wenig entgegenzusetzen. Bemerkenswert, wie realistisch die Deutschen hier dargestellt werden. Dadurch dass Wilder ihnen Intelligenz zugesteht, werden sie umso furchteinflößender. 7/10

The Seven Year Itch (USA 1955, Billy Wilder) Obwohl man dem Film nichts schlechtes nachsagen kann, funktioniert er für mich nicht durchgängig. Liegt vermutlich auch am Hauptdarsteller, denn die Szenen mit der Monroe funktionieren ganz gut. Aber es ist halt ein abgefilmtes (wenngleich gutes) Theaterstück, das ganz in den Fünfzigern verhaftet ist und heute etwas altbacken wirkt. 6/10

Killers/Kiss & Kill (USA 2010, Robert Luketic) Was zumindest am Anfang als netter Liebesfilm vor schöner Kulisse beginnt, wechselt dann schnell in einen Actionfilm. Dieses an den Haaren herangezogene Konglomerat aus den unterschiedlichsten Genreelementen funktioniert allerdings als Ganzes überhaupt nicht, da helfen auch nicht die passablen Schauspielleistungen. 4/10

The Blind Side (USA 2009, John Lee Hancock) Auch wenn hier eine prägnante Milieustudie versucht wird und die Welt einer gewissen Oberschicht gut dargestellt zu werden scheint, kam ich mir vom eher einfallslosen Regisseur doch maßlos betrogen vor, wie bei manchen Frank-Capra-Filmen à la "It's a wonderful life". 5/10

Written on the Wind (USA 1956, Douglas Sirk) Immer noch einer der besten Filme für mich, vielleicht wegen der zerrütteten Ölmagnatenfamilie, die mich etwas an die Bushs erinnert, der Ausleuchtung, der Musik von Frank Skinner, der verdorbenen Schwester, den beiden ungleichen Freunden, den Szenen am Fluß, den phallischen Bohrturm-Symbolen und der Tatsache, dass Sirk seine Figuren alle liebt und sie zu keinem Zeitpunkt verachtet, egal wie moralisch verwerflich sie handeln. Nicht so gut wie ALL THAT HEAVEN ALLOWS, aber dennoch überragende 8/10

Sweet Smell of Success (USA 1957, Alexander Mackendrick) Sehr realistisch gefilmtes Film-Noir-Melodram mit vielen authentischen Außenaufnahmen. Ich brauchte 30 Minuten, bis mich der Film wirklich packte, dann hat er mich aber nicht mehr losgelassen. Schauspielerisch ist er große klasse, Burt Lancaster (ursprünglich sollte Orson Welles diese Rolle spielen) ist wahres Ungeheur an Präsenz und Tony Curtis, den ich noch nie leiden konnte, überzeugt in seiner zwielichtigen Rolle ebenfalls. Am Schluß war ich überrascht, wie gut doch dieser Film ist. 7/10

54/Studio 54 (USA 1998, Mark Christopher) Überraschend überzeugender Film über einen gutaussehenden Jungen aus einfachen Verhältnissen, der ein wenig wie Maupassants Bel Ami eine Karriere in einem bedeutenden Nachtclub macht. Nach einer wahren Geschichte erzählt und vor allem von Mike Myers (Austin Powers) und Ryan Philippe überzeugend gespielt. 7/10

"Libido Mania" (USA 2009, John Lee Hancock) Gestern den Film der liebevoll aufgemachten DVD gesehen. Es ist mein erster Mondo gewesen und es war ein seltsamer, widerwärtig-anziehender Jahrmarktsspaß. Das Booklet von Dr. Stiglegger ist hervorragend, und das beste an der Scheibe ist neben... dem Featurette sicher der halluzinierende Audiokommentar mit Christian Keßler und Ingo Strecker, bei dem ich Tränen gelacht habe und bei dem man überraschend tiefgründig informiert wird. Zum Schluß gab es gar noch selbstkomponiertes Liedgut, das mir den ganzen Tag im Kopf blieb, mich zum wiederholten Singen verlitt und meine Freundin so ziemlich genervt hat. 5/10

Female Comedy Teams:

Feed 'em and Weep (USA 1928, Fred Guiol, Leo McCarey) Nach dem großen Erfolg von Laurel & Hardy wollte man etwas ähnliches mit Frauen versuchen, in diesem Fall mit Anita Garvin und Marion Byron. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn auch wenn die Gags größtenteils nicht mit dem Zeitgenosse Buster Keaton mithalten können, sind durch die Frauenrollen auch einige möglich, die man so nicht mit Männern hätte drehen können. 6/10

A pair of Tights (USA 1929, Hal Yates) Da die zwei Protagonistinnen vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise am Verhungern sind, beschließen sie, sich an zwei Männer zu verkaufen. Die beiden Damen geben sich allerdings etwas widerborstig, weshalb man sie zum Dinner mit Varieté für 25 Cent (!) einläd. Dazu kommt es aber nicht, denn der Plan wird unterbrochen, weil zwischendurch ein Eisstand auftaucht und alle Versuche der Beschaffung wiederholt gründlich misslingen. Sehr witzige Slapstick-Komödie, die erst gegen Ende hin etwas nachläßt. 7/10

The Pajama Party (USA 1931, Hal Roach) Der erste Tonfilm der beiden ungleichen Frauen nutzt folgerichtig durchgängig Musik, denn die Freunde spielen in einer Kapelle. Bei einer Party kommt es zu zahlreichen komischen Verwicklungen, vor allem als die beiden ein französisches Dienstmädchen bekommen. Lustig bis zum Schluß. 7/10

On the loose (USA 1931, Hal Roach) Besuch auf dem Jahrmarkt. Hat mir nicht ganz so gut gefallen, aber die Attraktionen von 1931 zu sehen, war wirklich klasse! Im Gegensatz zu heute war damals alles aus Holz oder Beton. 5/10

Snow Business (USA 1932, Jules White) Zwei Frauen im Zug, die sich im flaschen Abteil einer Hollywooddiva so richtig gut gehen lassen und ein Affe, der alles durcheinanderbringt. Beste Stelle ist sicher, wo der Affe sich an den Hund kuschelt und das Kleid versteckt. Ein Tier, das spielen kann! 6/10

Asleep in the Feet (USA 1933, Gus Meins) Allein die Tanzszenen sind köstlich, aber vor allem Zasu Pitts beherrscht den Film mit ihrem ganzen Wesen, besonders wenn sie völlig unpassend den Vamp spielt. Sehr gelungen. 7/10

The Bargain of the Century (USA 1933, Charley Chase!) Nachdem ein Polizist durch ihre Schuld seine Arbeit verliert, versuchen die beiden Frauen, ihm wieder welche zu verschaffen. Unglaublich einfach, aber witzig und gelungen. Tolle Außenaufnahmen des alten Hollywoods. 7/10

Beauty and the Bus (USA 1933, Gus Meins) Zwei Frauen gewinnen ein Auto, dass aber nicht lange unbeschädigt bleibt. Zasu Pitts wurde hier durch Patsy Kelly abgelöst, die viel ordinärer und draufzu spielt, aber trotzdem zu gefallen weiß. 5/10

Rivelazioni di un maniaco sessuale al capo della squadra mobile/Schön, nackt und liebestoll (I 1972, Roberto Bianchi Montero)
Ein netter italienischer Giallo mit dem kürzlich verstorbenen Farley Granger, dem man prinzipiell in seiner Überdrehtheit nicht viel Schlechtes nachsagen kann, der Titel sagt treffen, worum es geht. Ganz toll allerdings ist wieder der Audiokommentar mit Christian Keßler und Dr. Marcus Stiglegger. (6/10)

Reazione a catena/Bay of Blood (I 1971, Mario Bava)
Wirklich atmospärischer Giallo, der zwar wie immer bei Bava furchtbare schauspielerische Leistungen bietet, aber umso feinere Regie, dass einem der Atem stockt. Zudem ist das Ende eines der überraschendsten, dass ich kenne, hat mich etwas an Godards Week-End erinnert, auf jeden Fall aber lohnt es sich allein deshalb, den Film durchzuhalten. Enorm schöne Frauen gibts auch, hat man selten. 7/10

Donnie Darko (USA 2001, Richard Kelly) Eine Sci-Fi-Mystery-Thriller-Horror-High-School-Romanze, die allein schon deshalb zu bejubeln ist, dass diese Mischung überhaupt funktioniert. Beeindruckender, ratselhafter und verstörender Film mit einem sehr jungen Jake Gyllenhaal. Tip: Mit dem Hasenkostüm Leute nach dem Sehen des Filmes um Mitternacht beim Nachhausegehen erschrecken. 8/10

Phenomena (I 1985, Dario Argento) Der Film beginnt thematisch wie eine Mischung aus Profondo rosso und Suspiria, gleitet dann aber immer mehr ins absurde und Übersinnliche ab. Argento ist trotzdem ein Meister des Spannungsaufbaus, auch wenn er hier nicht so ausgefeilt zu Werke geht wie bei den Vorgängern. Die klare Rettung sind aber hier die überzeugenden Schauspieler: Donald Pleasance spielt den Professor und die wunderschöne, blutjunge Jennifer Conelly (Argento sah sie in Leones Once upon a time in America) nimmt einen von Anfang an gefangen. 7/10

L'uccello dalle piume di cristallo/Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe (I 1970, Dario Argento) Einer seiner ersten Gialli, der noch relativ unblutig daherkommt, dafür aber in seiner Flüssigkeit handwerklich beeindruckt. Ich kann dem Film nichts schlechtes nachsagen, hat mir gänzlich gefallen. Von nächtlichen Ausstellungen lasse ich aber ab jetzt die Finger.

Mammuth (F 2010 Gustave de Kervern, Benoît Delépine) Wirklich ein netter, kleiner fieser Film, in dem auch Benoît Poelvoorde (Man beißt Hund) etwas seine Finger drin hatte. Gérard Depardieu spielt immer wieder erschreckend gelungen und trägt den Film völlig. Rätselhaft, kann man immer wieder anschauen. 7/10

Alice in Wonderland (USA 1951, Clyde Geronimi, Wilfred Jackson, Hamilton Luske) Als Kind möchte ich diesen Film sehr, der ganz anders als die meisten Disneyfilme ist und geschickt versucht, den eher düsteren Grundton der Vorlage durch die Einführung von Liedern zur zerstreuen. Eine gelungene Interpretation, die umfassende Verfilmung wird es nie geben. Etwas ärgerlich ist hingegen, dass Disney für die Restaurierung die eher pastellenen Originalfarben bunter und kontrastreicher gemacht hat. Der Film ist jetzt ein Knallbonbon, das er im Original nie war. 8/10

Cloudy with a Chance of Meatballs (USA, Phil Lord, Chris Miller) Einer der lustigsten Animationsfilme der letzten Zeit, bei der nahezu jeder Gag zündet und endlich einmal die Regie stimmt. Hatte lange nicht mehr so großen Spaß! 7/10

Damage (UK/F, Louis Malle) Ordentlich gemachter Liebesfilm von Louis Malle, der zwar ganz OK ist, aber auch trotz handwerklicher und schauspielerischer Perfektion nicht viel Neues bietet. 6/10

Coeur fidèle (F 1923, Jean Epstein) Guter Stummfilm, der visuell beeindruckt, mich aber inhaltlich nicht vom Hocker gerissen hat. 6/10

Hanna Amon (D 1951, Veit Harlan) Wow, ein Heimatfilmmelodram mit übersinnlichen Anklängen, das so richtige reinhaut und permanent eine unbehagliche Stimmung verbreitet. Für die damalige Zeit sicher etwas völlig Ungewöhnliches, aber wenn man drüber nachdenkt auch ziemlich morbide und reaktionär. Filmisch aber erste Sahne. 7/10

Alice ou la dernière fugue (F 1977, Claude Chabrol) Toller, surrealer Film von Claude Chabrol mit einem völlig überraschenden Ende, das mehr Stimmung als Handlung bietet und am Schluß vielleicht etwas enttäuscht, weil dadurch der ganze Film etwas sinnlos wird. Trotzdem ein eher ungewöhnlicher Film im Oeuvre des Meisters, der Fans von Rollin und Bunuel gut gefallen wird. 7/10

8 femmes (F 2002, François Ozon) Nette Krimikomödie à la Agatha Christie voller toller Schauspielerinnen, die alle in die Vollen gehen in der typisch überzeichneten, klebrigen Ozon-Inszenierung. Ganz platt waren die direkten Zitate aus der Herrmanns VERTIGO-Filmmusik. 6/10

Rio Lobo (USA 1970, Howard Hawks) Wow, wieder eine Entdeckung. Die letzte Regiearbeit von Howard Hawks ist an Temporeichtum, Einfallsreichtum kaum zu überbieten, schon allein wegen des Zugüberfalls am Anfang sollte man ihn gesehen haben. Alle in diesem Film sind zudem unverholene Alkoholiker und am Schluß wird es ungewöhnlich brutal und düster. Hawks war damals sehr von Peckinpahs WILD BUNCH beeinflußt. Das einzige Problem ist, dass sämtliche Nebendarsteller nichts taugen und daher von John Wayne regelmäßig an die Wand gespielt werden. Trotzdem ist der Film einen Blick wert, er ist nicht so schlecht, wie er überall bewertet wird. 7/10

Lost Highway (USA 1997, David Lynch) Nach einem Jahrzehnt wieder gesehen, kam er mir etwas lahm vor und nicht kraftvoll genug, um mit seinem späteren Oeuvre mithalten zu können. Trotzdem immernoch ein interessantes Filmerlebnis, das nachhaltig verstört. 7/10

La tête en friche (F 2010, Jean Becker) Der kleine Sohn des großen Jacques Becker hat wieder einen Wohlfühlfilm gemacht. Dieser ist nicht mehr ganz so schlimm gefilmt wie DIALOG MIT MEINEM GÄRTNER, aber trotzdem immer noch reaktionär, naiv und spielt in einem Frankreich, dass es außer im Hirn des Regisseurs vermutlich nie gegeben hat. Trotzdem unterhält der Film bei aller Unglaubwürdigkeit, weil Gérard Dépardieu, der alles spielen kann, hier wieder zur Hochform aufläuft und zeigt, dass er nach wie vor der beste französische Schauspieler seiner Zeit ist. Das rettet den Film. 6/10

Midnight in Paris (USA 2011, Woody Allen)
Der erfolgreichste Film von Woody Allen seit 25 Jahren ist eigentlich ziemlich atypisch. Denn am Schluß findet der Hauptdarsteller sein Glück, ganz anders etwa als beim ähnlich eskapistischen PURPLE ROSE OF CAIRO bei dem am Schluß der graue Alltag weiterläuft, ohne Chance zu Entrinnen. Es fällt auch irgendwo im Film der Satz, dass wenn die Welt eben schlecht sei, man sich an seine Träume klammern solle und das Gute sehen (oder so ähnlich). Ebenso scheint es Allen mit diesem Film zu gehen, ein mit der Welt versöhnter Woody Allen ist irgendwie beängstigend. Denn dann kommt ein Film wie dieser raus, eine einzige Schwelgerei, so fluffig und gut konsumierbar wie ein Sahne-Baiser, und das noch in der schönsten Stadt der Welt. Wir erleben hier zudem unzweideutig den Blick eines Amerikaners, der Paris anhand seiner intellektuellen Vergangenheit wahrnimmt. Akzeptiert man das, und ist man bereit, sich auf diese kleine Burleske einzulassen, dann hat man bei dem Film eine gute Zeit, auch wenn beim Verlassen des Kinos die Erinnerungen an den Film auflösen wie die Reisen in die Vergangenheit, die Owen Wilson unternimmt. Ich finde übrigens, dass er DAS alter ego von Allen ist, die Rolle ist grandios gespielt. Ein braver Film, völlig ohne Ecken und Kanten wie ein zuckersüßes Dessert. Ich bin gespannt, wohin Allen nun überhaupt noch will und wüsche mir demnächst eine härtere Gangart statt diese Neckermann-Werbefilme. 7/10

Das Gelübde (D 2007, Domink Graf)
So muss ein historischer (Fantasy-)Film aussehen, war seit Herzogs JEDER FÜR SICH UND GOTT GEGEN ALLE lange nicht mehr so beeindruckt. Einzig die moderne Thriller-Musik passt mir nicht recht zum Thema. Sehr schön auch der auf der DVD befindliche AK mit Graf und dem viel zu früh verstorbenen Michael Althen. 8/10

Polizeiruf 110: Cassandras Warnung (D 2011, TV, Dominik Graf)
Ein wirklich grandioser Krimi, toll gespielt, inszeniert und gefilmt (in 16mm wie fast immer bei Graf). Das vielleicht größte Komliment ist, dass ich bei Graf zu Anfang immer etwas skeptisch bin, dann aber voll reingezogen werde in seine Filme, die so ganz anders sind als das, was man im Fernsehen sehen kann. 8/10

Zeit der Unschuld (USA 1993, Martin Scorsese)
Nette Romanverfilmung mit allerlei Ballhaus-Kameraspielereien. Trotzdemfunktioniert der Film für mich überhaupt nicht, dramaturgisch geht es da drunter und drüber. Wenn das Scorseses Hommage an Barry Lyndon sein soll, dann hat er nichts verstanden. 4/10

Zazie dans le metro (F1960, Louis Malle)
Die Romanvorlage des Surrealisten Raymond Queneau galt damals als das witzigste Buch in französischer Sprache. Louis Malles Film versucht diesen mit filmischen Mitteln nachzubauen und es gelingt im recht gut, der Einfallsreichtum schein grenzenlos. Trotzdem ließ mich der Film ziemlich kalt und unbeteiligt, der Funke wollte (im Gegensatz zum Roman) nicht überspringen. 6/10

Le monde vivant (F 2003, Eugène Green)
Abermals ein meisterlicher Film, mit Hunden die Löwen sind, Bestien und Moralischen Überlegungen. Eine ganz eigentümliche Welt tut sich da auf, völlig unnatürlich wird sie zur Selbstverständlichkeit für den Betrachter. Reinstes Kino, wie es Rohmer oder Bresson nicht hätten bessermachen können. 9/10

Pom Poko (J 1994, Isao Takahata)
Einer der seltenen Filme, bei denen ich zum Schluss immer heule. Die Liebe zur Natur ist bei diesem Umweltmärchen übermächtig. Aber auch sonst gefällt der Film ob der ziemlich untypischen, skurrilen Einfälle. Immer wieder zeitlos genial! 9/10

Weites Land (USA 1958, William Wyler)
Kurz vor seinem BEN HUR dreht Wyler diesen Überwestern, und zeigt allen seinen Kollegen, wie man's macht. Monumentale Landschaften wie aus Stagecoach, messerschafte Personenzeichnungen und Konflikte wie bei Hawks. Dazu die volle Wirkung beim Zuschauer, der am Schluß nicht merkt, dass der Film fast drei Stunden gelaufen ist. Die Blu-Ray ist zudem grandios restauriert. 8/10

The Lost Moment (USA 1947, Martin Gabel)
Zu Unrecht unbekannt ist der Film Noir BRIEFE AUS DEM JENSEITS/THE LOST MOMENT von Martin Gabel aus dem Jahre 1947. In der Henry James-Verfilmung reist ein junger Verleger nach Venedig, um verschollene Liebesbriefe mit Millionenwert eines Schriftstellers à la Byron aus dem 19. Jahrhunderts zu erschleichen, die es richtig in sich haben. Zumindest wird jede Frau nach der Lektüre bedingungslos willig wie Bacheloranwärterinnen. Die gespenstige hundertjährige Geliebte des Schriftstellers ist rollstuhlgefesselt noch da und eine junge Frau in Gestalt von Susan Hayward führt ein anziehendes wie abstoßendes Doppelleben. Das Haus selbst könnte direkt aus CITIZEN KANE oder den AMBERSONS entsprungen sein (Regisseur Martin Gabel war auch daran beteiligt), eine irre Atmosphäre, fehlen nur noch nackte Frauen, die wie bei Rollin aus dem Uhrenkasten kommen. Leider war der Film damals ein Misserfolg und so konnte der Regisseur nie in den Auteur-Status kommen, was den Film bis heute selten macht.

The Uninvited / Der Unheimliche Gast (USA, 1944, Lewis Allen)
Eine der ersten Spukhausgeschichten, bei denen die Protagonisten keine Knallchargen sind und Geister samt ihrer berechtigten Gründe ganz ernst genommen werden. Ein Komponist kauft darin mit seiner Schwester ein altes Herrenhaus an einer rauen Klippe. Man munkelt im Ort, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Die Dialoge der zu Beginn munteren Screwballkomodie werden dabei immer mehr mit dünsten Vokabeln durchsetzt, das „Unheimliche“ à la Freud manifestiert sich zunehmend. Als der Hund freiwillig wegläuft, der Oberboden so kalt ist, dass selbst frische Blumen in Kürze welken und nachts in bestem Raumklang eine klagende Frauenstimme zu hören ist, wird dem Letzten klar: in der Brust dieses Hauses wohnen zwei Seelen. Überraschend methodisch, von Liebe zur jugendfrischen Enkeltochter des Besitzers beflügelt, beginnt nun die Deduktion. Eine irre Heimleiterin mit Hintergedanken und zudem Wagnerianern von der Sorte, die den Liebestod in Endlosschleife hören, kommt auch ins Spiel, das bis zum Schluss höllisch spannend bleibt. Ein Wahnsinnsfilm, vergleichbar mit Hitchcocks REBECCA oder Willi Forsts SERENADE. Empfehlung! 9/10

Kürzlich drei Filme von Roberto Rossellini gesehen, die er zusammen mit Ingrid Bergman gedreht hat. Neugierig drauf geworden bin ich durch Eric Rohmer, der STROMBOLI neben Hitchcocks VERTIGO als seinen größten Einfluss ansah. Und in der Tat, in den drei Filmen schafft Rossellini eine Art katholischen Neorealismus. Immer wenn die Handlung immer hoffnungsloser wird und den Figuren übel mitgespielt wird, blitzt kurz die Hoffnung auf.

Stromboli, terra di Dio (I 1950, Roberto Rossellini)
Ingrid Bergman spielt eine selbstsüchtige, opportunistische Frau, die kurzerhand einen Fischer heiratet, um der Nachkriegswirklichkeit zu entfliehen. Als sich dann herausstellt, dass er auf der bettelarmen Vulkaninsel Stromboli wohnt, deren Bewohner tiefe Naturgläubigkeit besitzen, versucht sie, ihr Dasein eigensinnig zu ändern, und scheitert. Den ganzen Film dringt der schroffe, neorealistisch gefilmte Ort die Handlung, die Insel wird zum Hauptdarsteller, zur Bühne, zum Labyrinth.

Europa '51 (I 1952, Roberto Rossellini)
Ingrid Bergman als egozentrische Bürgerliche, die sich mehr um ihre Abendgaderobe und High-Society schert, als um ihren kleinen Sohn, der mit Fassbinder sagen würde: „Ich will doch nur, dass ihr mich liebt“ und sich mangels dessen umbringt. Plötzlich versteht Bergmans Figur etwas von der Welt und erkennt ihre Fehler. Sie geht nun in die Vororte Roms zu den einfachen Leuten, arbeitet einen Tag in einer mollochartigen Fabrik und findet Liebe, wenn sie Liebe gibt. Ihrer idiotischen Fassbinderfamilie ist das natürlich ein Dorn im Auge: die Gesellschaft hat keinen Platz für Nächstenliebe. Also verfährt man mit ihr, wie man es mit allen Menschen zu tun pflegt, die die Welt besser machen, ohne Eigennutz: man steckt sie ins Irrenhaus. Rossellini hatte zwei Jahre zuvor einen Film über Franz von Assisi gedreht, und er meinte, wenn er heute wieder auf die Welt kommen würde, würde es ihm genauso ergehen. Interessant ist auch die Rolle, die die moderne Architektur hier spielt.

Viaggio in Italia (I 1954, Roberto Rossellini)
Diesmal spielt Bergman eine britische Ehefrau, die eine geerbte Luxusvilla in Neapel verkaufen will. Man besichtigt Museen, Capri, den Vesuv, Pompeij und der Zuschauer eine Beziehung, die so gründlich den Bach heruntergeht. Als die Frau ein Kind will und ihr Mann ihr taktlos verkohlte Leichen in Pompeji zeigt, fordert sie die Scheidung. Als nichts mehr geht, kommt eine große Prozession, und plötzlich wandelt sich die Stimmung, die beiden finden wieder zusammen. Auch hier ist alles dem Neorealismus verhaftet, man bekommt ein tiefes Gespür für Italien, kann die antiken Mauern fast physisch erfahren. Fast schon ein Heimatfilm mit großer psychologischer Tiefe, die sich in der Handlung entwickelt.

In allen drei Filmen erkenne ich vieles von dem wieder, was ich bei Rohmer mag: die fast märchenhaften Plot-Twists, die Landschaft und Architektur, die eigene Rollen spielen und das Geschehen kommentieren, und die nüchterne Zurückhaltung in der Inszenierung, die jeden noch so kleinen Affekt zur Gefühlsexplosion beim Zuschauer machen, ohne den Betrachter von vornherein überwältigen zu wollen. Drei grandiose Filme, die für Rohmer eine Offenbarung und Abkehr vom Existenzialismus zugleich waren.

https://www.patrickcinema.de:443/files/gimgs/th-161_Ohne Titel.jpg
Cookie-Einstellungen